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In den Monaten Mai und Juni widme ich mich in diesem Jahr fokussiert Sachbüchern, die sich mit Literaturgeschichte auseinandersetzen. In den vergangenen Jahren haben diese Bücher durchaus erhöhten Eingang auf die Deutsche Bestsellerliste gefunden. Zudem setzt sich auch bei uns immer mehr eine Sachbuchästhetik durch, welche den erzählenden Charakter betont. Im Rahmen dieses Monats möchte ich dabei noch einen kleinen Schwerpunkt auf die Epoche der Romantik legen. Diese Zeit begeistert mich mit ihren Ideen und Auswirkungen auf die Literatur seit meinem Studium und über die Jahre hat sich das ein oder andere Sachbuch zu dieser Thematik bei mir angesammelt. Nun entlasten diese Bücher meinen SuB und ihr findet Besprechungen zu ihnen auf dem Blog.
Beginnen möchte ich heute mit dem Buch „Fabelhafte Rebellen“ von Andrea Wulf, welches 2022 bei Bertelsmann erschienen ist. Ich habe das Buch erworben, nachdem ich im Rahmen der Frankfurter Buchmesse eine Veranstaltung der Autorin besucht habe, da es aus meiner Sicht die handelnden Personen dieser Epoche gut in den Fokus genommen hat. Wulf erzählt uns von den Frühromantikern, die sich in den 1790er Jahren in der deutschen Universitätsstadt Jena bündeln und mit ihren Ideen Impulse in Gesellschaft, Literatur und Philosophie setzten.
Als zentrale Figur wählt Wulf in ihrer Darstellung Johann Wolfgang von Goethe. Er ist mit seinem Werk und der von ihm geprägten Ästhetik wichtige Bezugsperson der romantischen Dichter und Denker, obwohl Goethe selbst in Deutschland nicht zu den Romantikern gezählt wird. Im Ausland ist dies im Blick auf die Epoche der Romantik oftmals anders. Ort der literarisch prägenden Zeit ist Jena. In der dortigen Universität lehrt Johann Gottlieb Fichte Philosophie und ist ein wahrer Star bei den Studenten. Nach und nach kommen weitere prägende Personen hinzu. Andrea Wulf bringt ihrer Leserschaft die verschiedenen Personen schrittweise näher, es stößt August Wilhelm Schlegel mit seiner Frau Caroline und seinem Bruder Friedrich hinzu. Spannend finde ich an der Darstellung von Andrea Wulf, dass sie die Rolle der Frauen hervorhebt, insbesondere von Caroline Böhmer, spätere Schlegel. Die Schlegels werden als treibende Kräfte geschildert, die sich allerdings selbst auch als überlegene Denker einschätzen. Dies führt sogar dazu, dass Friedrich sich mit Schiller kritisch beschäftigt und damit den gesamten Jenaer Kreis in Zweifel stellt. Diese eigene Wahrnehmung korrespondiert mit der Philosophie Fichtes, welche das absolute Ich in den Vordergrund rückt und damit die Ich-Wahrnehmung und den freien Willen stärkt. Die Stärkung des Ichs rückt gleichzeitig das Bestehen von künstlerischen Kollektiven in ein Dilemma.
Andrea Wulf gelingt in ihrer Darstellung aufzuzeigen, dass die klugen Geister mit ihrer Individualität durchaus einander in Konkurrenz treten. Allerdings befruchten sich Philosophie und Kunst mit ihren jeweiligen Vertreter:Innen. Auch zwischen den Frauen, die sich als Gastgeber:Innen der Treffen, aber auch in den Übersetzungen von fremdsprachigen Werken unter anderem Shakespeare engagieren, kommt es zu Neid und Missgunst. Novalis folgt nach Jena und wird mit seinem Werk zu einer prägenden Figur, obwohl ihm nur ein kurzes Leben beschieden war. Friedrich Schelling wird zum nächsten Shootingstar der Philosophie und zugleich ein Anziehungspunkt für Caroline Schlegel. Schlussendlich trennt sich diese und heiratet den jüngeren Schelling. Diese Entwicklungen der privaten Beziehungen sorgt ebenfalls dafür, dass sich der erlauchte Kreis auflöst. Allerdings verbleiben ihre großen Ideen. Andrea Wulf verarbeitet in ihrer Darstellung keine poetischen Theorien, sondern konzentriert sich auf die historischen Personen, wichtige Werke werden trotzdem benannt, allerdings nicht in Tiefe betrachtet. Trotzdem macht ihre Darstellung deutlich, welch großer Impuls von diesen Denker:Innen ausging und Wulf zieht eine Linie zum Aufgriff romantischer Ideen im Ausland. Goethe bleibt über das gesamte Buch Beobachter der Szenerie, der jedoch immer wieder als bestätigende Person gesucht wird. Mir war diese Rolle bisher in dieser Form nicht bekannt. Das Spannende an ihrer Darstellung ist wie sie die historischen Personen lebendig werden lässt und ihre Beziehungen untereinander entfaltet. Auf diese Weise wird die Zeit, in der sie sich bewegt, spürbar für die Leserschaft. Des Weiteren gelingt es ihr die Bedeutung dieser Dichtenden und Denkenden zu verdeutlichen.
Fazit
„Fabelhafte Rebellen“ ist ein historisches Zeitpanorama, dessen Figuren um den Künstlerkreis in dessen Zentrum die Schlegel-Brüder stehen, lebendig werden. Anhand historischer Quellen erzählt Andrea Wulf aus der Zeit der frühen Romantik. Sie zeigt auf wie die verschiedenen Personen Kunst und Philosophie mit ihren Ideen befruchten und dabei in der Konkurrenz zueinander ein produktives Netzwerk bilden. Mit ihrem gut geschriebenen Buch liefert sie einen guten Einstieg in die Betrachtung dieser wichtigen literarischen Epoche.
Autor:Inneninformation
Andrea Wulf (1967) wuchs als Kind deutscher Entwicklungshelfer zunächst in Indien, später in Hamburg auf. Ein Studium der Kulturwissenschaften in Lüneburg brach sie ab und zog mit ihrer Tochter nach London, wo sie ein Studium der Designgeschichte abschloss. Dort ist sie als Autorin und Kulturwissenschaftlerin tätig. Mit ihrem Buch „Die Abenteuer des Alexander Humboldt“ stand sie auf der Bestsellerliste.
Werbung aus Liebe zum Buch
Wertung: 🐧🐧🐧🐧
Titel: Fabelhafte Rebellen
ISBN: 978-3-570-10395-1
https://www.penguin.de/Buch/Fabelhafte-Rebellen/Andrea-Wulf/C-Bertelsmann/e558008.rhd