Wittstock, Uwe: Marseille 1940 – Die große Flucht der Literatur

#bookstagram #buchtipps #uwewittstock #chbeckverlag #marseille1940 #diegroßefluchtderliteratur #nsdiktatur  #bookstagramgermany #reading #empfehlung #literaturgeschichte #varianfry  #verfolgung #gelesen #germanbookstagram #bücherliebe #kulturwissenschaft #lesen #buchblogger #bookreview

In meinem Monat der Literaturgeschichte habe ich mich schon dem Buch „Februar 1933 -Literatur am Abgrund“ von Uwe Wittstock gewidmet. Der Journalist und Autor hat diese Arbeit jedoch mit einem Blick in das Jahr 1940 nochmals fortgesetzt und so möchte ich Euch heute „Marseille 1940“, erschienen bei C.H. Beck vorstellen.

Uwe Wittstock greift mit diesem Buch durchaus Fäden des Vorgängerbuches auf. 1933 wagte den Blick auf die beginnende NS-Diktatur mit all den dramatischen Folgeereignissen als sich abzeichnender Schatten. Schon in diesem Buch deutete sich an, dass einige der erwähnten Schriftsteller- oder Künstler:Innen die Flucht vor dem Nationalsozialismus ergreifen werden. Nun begegnen wir Heinrich Mann, Hannah Arendt, Walter Benjamin, Franz Werfel oder Lion Feuchtwanger wieder auf ihrer Flucht. Hitler hat mit der Wehrmacht mittlerweile Frankreich eingenommen und treibt die Flüchtenden somit vor sich her, sofern diese nicht wie Thomas Mann schon den Weg in die USA gefunden haben. Die Gestapo fahndet nach einigen der Flüchtenden, für die das zunächst Hoffnung bringende Frankreich inzwischen wieder gefährlich wird. Es entstehen Internierungslager, in denen die Geflüchteten unter schwierigen Bedingungen untergebracht sind. Uwe Wittstock gelingt es, diese dramatischen Bedingungen vor allem anhand des Schicksals von Lion Feuchtwanger darzustellen. Wie im Vorgängerbuch stützt sich sein Buch auf Tagebuchaufzeichnungen und Briefe und erzählt das Jahr 1940 aus verschiedenen Perspektiven. Der erzählende Stil erhöht aufgrund der Perspektivwechsel Dramatik und Spannung. Bewertungen Wittstocks fließen in die Darstellungen ein, überlagern den Text aber nicht. Lion Feuchtwanger wird während des Aufenthaltes im Internierungslager immer schwächer und benötigt dringend Hilfe. Diese scheint sich aus Marseille in Person des amerikanischen Journalisten Varian Fry. Dieser außergewöhnliche Amerikaner hat es sich zur Aufgabe gemacht, den ihm persönlich unbekannten Intellektuellen seine Fluchthilfe anzubieten. Er hat hierfür zumindest eine gewisse Unterstützung aus den Vereinigten Staaten, unter anderem hofft die Präsidentengattin auf die erfolgreiche Flucht deutscher Künstler:Innen. In Marseille spitzt sich die Situation jedoch zu und so wird Fry dort mit einem Helfer:Innenkollektiv namens Emergency Rescue Committee tätig. Sie versuchen die Flüchtenden über die Pyrenäen nach Spanien und von dort in die USA zu bringen. Es gelingt Wittstock in diesem Werk erneut, den jeweiligen Personen ihren eigenen Tonfall zu verleihen. Die Ereignisse spitzen sich zu, wir erleben die Flucht Walter Benjamins, die nach vielen Strapazen kurz vor dem Ziel scheitert und Benjamin verzweifelt Selbstmord begehen lässt. Wir erkennen jedoch auch, welch grandiose Leistung Varian Fry mit seiner Mannschaft vollbringt und wie eigen die jeweiligen Intellektuellen sind, denen er zur Flucht verhilft. Dabei erkennen wir in den Herausforderungen für die Flüchtenden Parallelen zu den heutigen Herausforderungen von Flucht und Vertreibung. Aufgrund der gelungenen Darstellung ist die Verzweiflung der Menschen durchaus greifbar. Zugleich gelingt es Wittstock mein Interesse an den Künstler:Innen und ihren Werken zu wecken, von denen mir nur die wenigsten bekannt sind. Sicherlich werden einige dieser Bücher noch den Eingang in Bücherregal und Blog finden. Wichtig an den Büchern Wittstocks hervorzuheben sind seine gegenwärtige Stilistik, die umfassende Recherchearbeit und der aufgrund der Darstellungsform entstehende Blick aus der Multiperspektive, der jeweiligen Personen. Mich hat dieses Buch auf jeden Fall fesseln können.

Fazit

Uwe Wittstock gelingt eine gelungene Fortsetzung seines letzten Buches mit dem Fokus auf das Jahr 1933 und er beantwortet damit auch bei mir noch offene bestehende Fragen. Noch deutlicher wird in diesem Buch für mich die Tragik und Dramatik der Ereignisse. Mit den Geschehnissen rund um das Helfer:Innenkollektiv von Varian Fry lerne ich auch eine komplett neue Version der Fluchthilfe kennen. Für mich liegt darin eine große Stärke dieses Buches und ich kann es weiterempfehlen.

Autor:Inneninformation

Uwe Wittstock (1955) war zunächst als Journalist bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung tätig, später arbeitete er als Lektor für den Fischer Verlag. Anschließend betreute er bei unterschiedlichen Magazinen und Zeitungen, Feuilleton und Literaturteil. Er hat verschiedene Monografien zur Literaturgeschichte veröffentlicht und lebt heute in Frankfurt am Main.

Werbung aus Liebe zum Buch

Wertung: 🐧🐧🐧1/2🐧

Titel: Marseille 1940 – Die große Flucht der Literatur

ISBN: 978-3-406-81490-7

https://www.chbeck.de/wittstock-marseille-1940/product/36359417

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert