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„Die Molche“ von Volker Widmann erschienen im Dumont Verlag, erzählt aus einem bayrischen Dorf in der Nachkriegszeit. Hauptfigur ist der elfjährige Max, der den Tod seines Bruders miterleben muss, der Opfer einer Attacke von anderen Jugendlichen wurde. Max konnte nicht eingreifen und macht sich Vorwürfe, zudem wird er nun selbst Opfer der jugendlichen Bande. Hoffnung findet er in der Natur und in der Freundschaft zu zwei anderen Jungen, mit denen er plant sich zur Wehr zu setzen.
Mit dieser Rezension setze ich meinen Bericht zur Lit.Cologne fort. War es im Jahr 2021 nicht möglich live vor Ort zu sein, bin ich dieses Mal zur Verleihung des Debütpreises nach Köln gereist. Drei Romane waren in der engeren Auswahl und das hier besprochene Buch ist Nummer eins. Vorwegnehmen möchte ich, dass diese Auswahl vor allem die Vielfältigkeit der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur zeigt und schon dies ist positiv für diesen Preis festzuhalten. Zum Preisabend wird es noch einen eigenen kurzen Bericht geben.
„Der erste Ziegelstein traf meinen Bruder am Oberarm.“
Widmann, Volker: Die Molche, 2022, Dumont Verlag S.7.
Es gibt viele Nachkriegsromane und dieses Buch wäre sicherlich ohne den Debütpreis nicht auf meinem Lesestapel gelandet. Es war zudem das einzige Buch, welches ich nicht vorab gelesen hatte, sondern erst an diesem Abend erworben habe. Der Roman schafft eine Atmosphäre, in der die Gewalt aus den Seiten heraus scheint und betont insgesamt eine triste Lebenssituation. Max gehört mit seiner Familie zu den Außenseitern, da sie als Flüchtlinge in dieses bayrische Dorf gekommen sind. Gelungen wird die Sprachlosigkeit der Nachkriegsjahre eingefangen. Die unausgesprochenen Kriegstraumata sorgen für eine Distanz zwischen Eltern und Kindern und so sind es hier die Kinder, welche den Roman prägen. Mit den unausgesprochenen Traumata bleibt aber auch eine Gewalt, die sich in der Dorfclique um ihren Anführer Tschernik zeigt, der die anderen Kinder drangsaliert. Die Erwachsenen scheinen diese Welt nur zu beobachten, die Erfahrungen um den Tod des Bruders werden verdrängt. Max begreift somit, dass er sich selbst helfen muss. Sprachlich hat Widmann starke Momente, wenn er die Natur beschreibt. Allerdings ergeben sich durch diese Ausschweifungen auch gewisse Längen. Die immer wieder aufbrechende Gewalt durchzieht den Roman und wirkt sich bis auf die Hauptfigur aus. Max und seine beiden Freunde machen sich Gedanken darüber, wie sie sich wehren können und gleichzeitig wächst Max mit Nachdenken über das andere Geschlecht heran. Marga hat es ihm angetan und es scheint sich eine kleine Liebesgeschichte zu ergeben. Allerdings bricht dann die Gewalt in diese Beziehung ein. Insgesamt empfinde ich die erotischen Szenen um den Jungen als befremdlich und nicht wirklich zum restlichen Text passend. Auch die aufscheinende Gewaltbereitschaft wird in keiner psychologischen Kausalität greifbar. In der Psychologie der Figuren hätte durchaus mehr Potential geschlummert, auch den Tod des Bruders hätte man noch intensiver verarbeiten können. So steuert dieser Roman auf ein erwartbares Ende hin und gibt mir keinen wirklichen Drall mit.
Nachkriegsromane sind sicherlich nicht meine Lieblingsbücher, doch hier hätte ich mir aus der kindlichen Perspektive in einer Dorfgesellschaft noch etwas mehr erhofft. Sprachlich hat Widmann starke Stellen, doch in der Gesamtkomposition fügt sich dies nicht gänzlich ein. Die Atmosphäre hätte auch Möglichkeiten geboten, sich mit der Psychologie der kindlichen Figuren noch besser zu verweben. Somit bleiben Ungereimtheiten bei der Lektüre und ein etwas unbefriedigendes Gefühl, dass hier noch Potential im Text geschlummert hätte.
Werbung aus Liebe zum Buch
Wertung: 🐧🐧1/2🐧
Volker Widmann:
Die Molche
ISBN: 978-3832181727
Preis: 22,00€