Sind nicht bei einer genauen Betrachtung alle zivilisatorischen Fortschritte, die uns selbstverständlich bis zur Ignoranz geworden sind, tatsächlich nur auf die zurückzuführen, die eine Vorstellung nicht ertragen konnten und die deshalb bereit waren einen Unterschied zu machen?
Welzer, Harald: Alles könnte anders sein, S.76 S.Fischer Verlag 2019.
Das Buch des Soziologen Harald Welzer „Alles könnte anders sein“ tritt für die Utopie einer Gesellschaft ein. Zunächst beurteilt er unser aktuelles Wirtschaftssystem und schließt daraus, dass Wiedergutmachung zu leisten ist. Es habe genügend zivilisatorische Entwicklungen gegeben, auf die wir stolz sein können und deren Ideengeist wir nur wieder aktivieren müssen. Die Zukunft liegt in einem neuen Denken, dessen Ideen Grenzen verschiebt und eine offene Gesellschaft hervorbringt.
Um was geht es?
Der Blick auf unsere Gesellschaft lässt den Soziologen Harald Welzer einen Mangel an Freiheit, Offenheit und Nachhaltigkeit entdecken. Sein Buch ist die Aufforderung das Ertragen dieses Zustandes zu beenden. Er erinnert an die erfolgreichen Kräfte des Fortschritts aus der Vergangenheit und möchte diese reaktiviert sehen. In kurzen Beispielen wird Bilanz gezogen und dann werden Projekte genannt, die zeigen wie die Welt verändert werden kann. Im abschließenden Teil des Buches werden die Zukunftsvorstellungen auf elf Grundsätze zurückgeführt.
Mein Eindruck vom Buch
Es ist meine zweite Lektüre zum Start des neuen Jahres, die sich mit einem Umdenken bezüglich unserer Gesellschaft auseinandersetzt. Harald Welzer möchte eine offene und mutige Gesellschaft. Welzer bringt seine Erfahrungen aus wirtschaftlichen Forschungen ein. Er kritisiert das Gesellschaftskritik meist nur dunkle Szenarien zeichnet und damit die Energie für eine positive Zukunft verschenkt.
Er selbst geht in drei Schritten vor. Zunächst wird eine aktuelle Situationsanalyse und die vorherigen Jahrzehnte werden beleuchtet. Dieses Kapitel ist mit dem Begriff „Wiedergutmachung“ überschrieben. Jedoch wird uns kein schlechtes Gewissen gemacht, sondern das Buch bleibt positiv. Es zeigt sich, dass auch in der Vergangenheit neue Impuls positive fortschrittliche Effekte hatten. Daran will Welzer erinnern, aber auch daran wie diese teilweise wieder eingeschränkt wurden. Wichtigstes Beispiel ist hier die Erfindung des Legosteins. Mit dieser Neuerung wurde die Möglichkeit geschaffen Steine nach eigenen Vorstellungen zu verbauen. Eine Idee der Freiheit, die jedoch bald durch den Verkauf fertiger Bausätze schon wieder begonnen wurde einzuschränken. Hintergrund dieser Entwicklung ist, dass nur so das Ziel des stetigen Wachstums erreicht werden kann, dies kann der universelle einsetzbare Stein nicht leisten.
Wir haben keinen Mangel an Wissen über die Zukunft der Welt, aber Mangel an Willen diese Zukunft zu verbessern.
Welzer, Harald: Alles könnte anders sein, S.25 S.Fischer Verlag 2019.
Genau diesen Mangel möchte Welzer behoben sehen und nennt Beispiele wie dies andernorts schon umgesetzt wurde. Wichtige Quelle sind hierbei Projekte der Futur Zwei Stiftung. Es sind innovative Projekte, deren Neuerungen positive gesellschaftliche Auswirkungen haben können. An manchen Stellen mag die Darstellung etwas naiv daherkommen, aber trotzdem überzeugt das Buch. Die feste Überzeugung des Autors überträgt sich auf den Leser. Veränderungen fangen auch hier beim Einzelnen an. Von uns ausgehend können wirksame Orte entstehen und dabei an die Historie größer Veränderungen anknüpfen.
Unbezahlte Werbung aus Liebe zum Buch
Wertung: 🐧🐧🐧1/2🐧
Harald Welzer:
Alles könnte anders sein
S. Fischer Verlag
ISBN: 978-3-596-70348-7
Preis: 12,00€
https://www.fischerverlage.de/buch/harald-welzer-alles-koennte-anders-sein-9783596703487