Weidermann, Volker: Träumer

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Wir leben in aufregenden demokratischen Zeiten, die uns durchaus auch gewisse Risiken offenbaren und geprägt sind von Misstrauen in die Institutionen. Der Blick in die Geschichtsbücher zeigt manche Parallelen zu dunklen Zeiten. Umso wichtiger ist es, dass wir uns mit Geschichte auseinandersetzen. Dieser Monat steht im Zeichen der Literaturgeschichte, gibt aber auch den Blick auf die gesellschaftlichen Hintergründe frei.

Das Buch „Träumer“ von Volker Weidermann widmet sich einer besonderen Zeitspanne, in der nach Ende des Ersten Weltkriegs in München kurz der Traum einer besseren Welt aufschien. Volker Weidermann berichtet davon, wie eine Gruppe von Schriftstellern das entstandene Machtvakuum nutzen möchte, um die Vorstellung einer besseren Gesellschaft umzusetzen. Der Freistaat wird in München ausgerufen; in Bayern muss, wie in anderen Teilen Deutschlands, der herrschende Monarch weichen. Es ist der Theaterkritiker Kurt Eisner, der sich 1918 auf den frei gewordenen Machtposten setzt, jedoch bei den Wahlen erkennen muss, dass dafür der Rückhalt in der Bevölkerung fehlt. Eisner muss für sein Engagement mit dem Leben bezahlen und wird Opfer eines Fanatikers. Überhaupt zeigt das Buch, wie die verschiedenen Ideen einer besseren Gesellschaft schnell in Chaos und Gewalt umschlagen. Ernst Toller und Gustav Landauer sind die prägenden und handelnden Personen, die nach dem Tod Eisners versuchen, eine von sozialistischen Ideen beflügelte Räterepublik zu etablieren. Sie lösen damit die nach dem Tod Eisners agierende Minderheitsregierung der SPD ab. Weidermann gelingt in seiner Schilderung der Spagat zwischen den aufscheinenden Träumereien und der sich einstellenden Realität, ohne die geschilderten Personen einer irrsinnigen Naivität zu verschreiben. Man spürt aufgrund der romanhaften Erzählweise, welche Energie diese Menschen ergreifen. Die Entwürfe der Regierungssysteme versprühen den Reiz des Revolutionären, markieren aber auch die vielfältigen Vorstellungen und zeigen auf, dass die entstehenden Kompromisse in sich Instabilität bergen. Wir erleben dies multiperspektivisch und genau diese Darstellungsweise passt zur chaotischen Zeit und unterstützt die Überforderung, die sich immer wieder zeigt. Niemand kann das Heft des Handelns in seiner Hand behalten und so birgt diese Zeit auch viel Enttäuschung. Gestützt auf Tagebücher, Briefe und (Auto-)Biografien gelingt es Weidermann, die Geschehnisse in ihrer historischen Dimension und lebendig zu schildern. Thomas Mann taucht ebenfalls auf und zeigt sich skeptisch gegenüber dem Griff nach der Macht durch die schreibenden Kollegen. Gerade die unterschiedlichen Reaktionen zeigen auf, wie schwer eine gesellschaftliche Veränderung zu erzielen ist. Nicht jede wünschenswerte Vorstellung erweist sich als durchdacht und zielführend, zeigt damit auch, dass Schnellschüsse keine Lösung bieten. Ohne eine funktionierende Verwaltung müssen die Träume scheitern und aus der Räterepublik wird Bolschewismus und den ursprünglichen Ideengebern die Macht entgleist. Über 2.000 Akteure landen im Gefängnis oder sterben. Für mich hätten diese grausamen Ergebnisse noch etwas besser herausgestellt werden können. Manche Entwicklungen im Hintergrund gerät durch den Fokus auf die Schriftsteller etwas aus dem Blick. Trotzdem ist das Buch insgesamt eine bereichernde Lektüre; mir waren die damaligen handelnden Personen und die Gründe für das Scheitern nicht so präsent, wie sie es nun nach der Lektüre sind.

Fazit

Dieses Buch ist eine kluge Darstellung eines kurzen historischen Momentes, in dem Träume in Chaos umschlagen, und eine spannende Erzählung über Geschehnisse, die nicht so oft vermittelt werden. Für mich ist das geschilderte Scheitern und die Illusion einer besseren Gesellschaft durch die Ideen von Künstlern eine interessante und zugleich tragische Geschichte. Volker Weidermann schildert dies mit einer Nähe, sodass man all die Emotionen spüren kann und macht das Buch zu einer tollen Lektüre. 

Autor:Inneninformation

Volker Weidermann (1969) studierte Germanistik und Politikwissenschaft und begann anschließend als Literaturkritiker zu arbeiten. Er leitete das Feuilleton von ZEIT und Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, zudem arbeitete er beim Spiegel. Von 2015 bis 2019 moderierte er die Neuauflage des Literarischen Quartetts im ZDF.

Werbung aus Liebe zum Buch

Wertung: 🐧🐧🐧1/2🐧

Titel: Träumer – Als die Dichter die Macht übernahmen

ISBN: 978-3-442-71648-7

https://www.penguin.de/Taschenbuch/Traeumer-Als-die-Dichter-die-Macht-uebernahmen/Volker-Weidermann/btb/e528430.rhd

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