#bookstagram #kulturerleben #theaterliebe #theaterleben #elfriedejelinek #stefanbachmann #corona #lärmblindessehenblindesehen #gesellschaftstheater #heidiecks #christinageiße #agneskammerer #andremeyer #heikoraulin #wut #schauspiel #melaniestraub #susannemariewareg #svenkaiser #musik #schweineköpfe #pandemie #schauspielfrankfurt #erzaehlwasontour #kulturblog
Eine Premiere eines Stücks von Elfriede Jelinek am Schauspiel in Frankfurt am Main, dies ist für mich als Theatergänger ein Pflichtbesuch. „Lärm. Blindes Sehen. Blinde sehen! Was ich sagen wollte“ ist ein Stimmenprotokoll zur gesellschaftlichen Lage kurz vor und innerhalb der Corona-Pandemie. Für das Stück in Frankfurt wurde eigens ein Zusatztext verfasst, der als Kommentar auf den ehemaligen österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz abzielt. In der Inszenierung erleben wir das Ensemble auf einer Drehbühne, die einem Hamsterrad gleich mit den Schauspieler*Innen durch Text und Pandemie fährt. Der zu sprechende Text ist Jelinek-typisch, Gegenwart mischt sich mit ästhetischen Andeutungen. In die Textmontur werden Kalauer, anklagende Worte und wilde Assoziationen gemixt. Damit wird jedem Theaterregisseur eine Spielfläche zum Austoben geboten. Jelineks Text ist eine Dokumentation der Pandemiejahre, bildet Impfgegner-Tiraden mit Verschwörungstheorien ab, die hinter alledem nur das große Geld vermuten. Es ist drastisch und plakativ und tatsächlich äußerst anstrengend diesem Stimmenwirrwarr zu folgen. Stefan Bachmann macht daraus ein Kammerspiel für sieben Schweine, denn mit solchen Masken ist das Ensemble ausgestattet. Dabei tragen sie Ganzkörperanzüge und sind damit kostümästhetischer Resonanzraum für Kritik an Schlachtbetrieben, die sich nicht an Hygienebedingungen halten. Sie bilden zudem die „armen Schweine“ ab, die am stärksten unter dieser Pandemie zu leiden haben. Gleichzeitig sind es aber auch die „Schweine“, die an dieser Pandemie verdienen wollen, rücksichtslos agieren oder den Virus und seine Gesundheitsgefahr verleugnen. Das Ensemble bewegt sich entgegen der Drehrichtung, die Texte werden an einigen Stellen ähnlich eines Raps ins Publikum geschleudert. Ich bin ehrlich, ohne dass ich den Text zuvor gelesen hätte, wäre mir ein Folgen an diesem Abend noch mehr erschwert worden. Das Ensemble bilden an diesem Abend Heidi Ecks, Christina Geiße, Agnes Kammerer, Andé Meyer, Heiko Raulin, Melanie Straub, Susanne-Marie Wareg und für die Musik Sven Kaiser. Ich möchte keinem aus diesem Ensemble hervorheben, zumal mir die Bewertung unglaublich schwer fällt. Der Wechsel von Chor- zu Solopassagen gelingt dem Ensemble spielend, auch die musikalischen Einlagensind gut integriert. Allerdings lässt einen diese Wucht der Inszenierung auch ratlos werden, zu schnell und zu viele Wechsel erschweren die Verarbeitung. Ich muss dieses Stück zwingend mit der Inszenierung „Angst“ aus Bonn vergleichen. Auch in diesem Stück dominierte die Frontalansprache ans Publikum, es wechselten Chor- und Solomonologe und es ging ebenfalls um Verschwörungstheorien und Zitate. Für mich ist der Text von Jelinek in seiner Konstruktion schwächer, bietet mir weniger an Impulsen zum eigenen Nachdenken und lässt mich doch an einigen Stellen verloren zurück. Die plakative Darstellung mit Schweinsköpfen ist auch nicht mein Fall. Zu viele Klischees machen sich darin für mich aus und schwächen die Inszenierung. Ich wollte ein Jelinek Stück sehen und dies habe ich auch bekommen, aber es konnte mich nicht gänzlich überzeugen. Zuschauer*Innen müssen bereit sein, sich auf modernes Theater einzulassen und wissen das eine hohe Konzentration über die zwei Stunden vonnöten ist.
Elfriede Jelinek ist eine Großmeisterin deutschsprachiger Texte, ein Corona-Text von ihr bietet logischerweise Diskussionsraum. Corona und all die damit verbundenen populistischen Auseinandersetzungen zu thematisieren ist nicht einfach, aber natürlich werden weitere Texte folgen. Ich halte es für zu früh, sich intensiv mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Zum einen begleitet uns das Thema noch und zum anderen sind nicht alle Auswirkungen schon in Gänze zu erfassen. Für mich wirkt dieses Stück nur als kleiner Ausschnitt dieser Zeit und auch die Bezüge zur österreichischen Politik sind an einigen Stellen zu kurz gegriffen. Die Überzeichnung bestimmter Passagen funktioniert auch nicht immer und so habe ich einen Theaterabend mit einigen Highlights erlebt, aber auch schwachen Momenten, wo mich das Gesehene etwas irritiert zurücklässt.
Werbung aus Liebe zum Theater
Wertung: 🐧🐧🐧
Mehr Informationen zum Schauspiel Frankfurt, auch mit Ausblick auf die neue anstehende Spielzeit unter: