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„1774. Als die jungen Genies die Freiheit suchten“ von Francesca Schmidt aus dem Süd Verlag, entführt uns in das Jahr 1774, dass für die deutsche Literaturgeschichte bedeutend ist, denn in diesem Jahr veröffentlicht Johann Wolfgang von Goethe sein Werk „Die Leiden des jungen Werther“. Francesca Schmidt nimmt dieses Ereignis als zentralen Bezugspunkt ihrer Darstellung und spannt dann ein Netzwerk ausgehend von Goethe über die verschiedensten Künstler*Innen und Salongäste des kulturellen Lebens hinweg. Goethe als personales Zentrum wird so in seinem Schaffen und den Bezügen zu seinem Umfeld gezeigt.
„Da haben wir’s. Mit euch verfluchten Arschgesichtern.“.
Schmidt, Francesca: 1774. Als die jungen Genies die Freiheit suchten, 2022, Süd Verlag S.7.
Mit diesem Zitat aus dem Werk „Soldaten“ von Lenz wird deutlich, in welchem Ton die „Stürmer und Dränger“ ab und an kommunizierten, oder wie sie auf sprachlicher Ebene bestimmte gesellschaftliche Missstände kritisieren. Eine Stärke des Sachbuches ist es , dass Zitate hauptsächlich aus Briefverkehr und Werken die Figuren sprechen lassen. In einigen Abschnitten des Buches ergeht sich dies aber in Belanglosigkeiten, sodass wir nur erfahren, wer wann wohin nicht reisen konnte, oder zum wiederholten Male erfahren, wer warum mit seiner Situation unglücklich ist. Hier hätte etwas mehr Stringenz und die Konzentration auf das Wesentliche dem Buch gutgetan. Mit ihrem Buch reiht sich Schmidt in einen Trend von Sachbuchprosa über ein bestimmtes Jahr oder fokussiert auf bestimmte Personenbeziehungen ein, der sich aktuell am Buchmarkt beobachten lässt. Passend ist hierzu auch der gewählte Ton, der sich nicht in Wissenschaftsprosa verliert, sondern Wert darauflegt, dass die Lesbarkeit im Vordergrund steht. Diese Stilistik verführt die Autorin jedoch nicht dazu, alles Geschilderte mit dem heutigen Blick zu bewerten. Stattdessen ist es die Anordnung der Zitate und ihre Auswahl, die uns dazu einlädt, uns ein eigenes Bild der dargestellten Personen zu machen. Einige der dargestellten Personen waren mir durchaus ein Begriff, jedoch bot mir das Buch auch einiges an Mehrwissen und brachte mir vor allem Lenz als Schriftsteller näher. Zudem wird deutlich, inwieweit sich schon in damaliger Zeit netzwerkartige Strukturen bildeten, aus welchen die Künstler Potential schöpften. Ebenfalls wird offensichtlich, wie sich Goethe zu seiner Zeit zu einer echten Marke entwickelte und mit welchen Strategien der Selbstinszenierung gearbeitet wird, unter anderem durch den Briefverkehr und Äußerungen über das eigene Werk und die Kolleg*Innen. Hier werden wechselnde Meinungen deutlich, die auch eine Absicht in der gewählten Selbstdarstellung erkennen lassen.
Ich habe tatsächlich einige Tage über dieses Buch nachdenken müssen und wie ich die gewählte Darstellung und das Vermittelte einschätzen soll. Mit dem Blick des Literaturwissenschaftlers fehlte mir an einigen Stellen ein tieferer Einstieg in die Betrachtung der Werke. Gelungen ist die Darstellung der Zeit, in welcher die Künstler*Innen lebten und auch die gesellschaftlichen Rollen von Frauen und Männern werden gut herausgearbeitet. Man liest dieses Buch an vielen Stellen mit Genuss, allein auch wegen der Freude über das Verhalten der Personen untereinander, an anderen Stellen verkommt es aber zu sehr zu Klatsch und Tratsch und wiederholt viele Aspekte. Letzteres wird zur Schwäche des Buches und verhindert bei mir eine bessere Wertung. Für Leser*Innen, welche sich der Phase des „Sturm und Drang“ ohne große Vorkenntnisse zuwenden wollen, ist dieses Buch auf jeden Fall kein schlechter Einstieg.
Werbung aus Liebe zum Buch – Rezensionsexemplar aus Lovelybooks Leserunde
Wertung: 🐧🐧🐧
Francesca Schmidt:
1774. Als die jungen Genies die Freiheit suchten
ISBN: 978-3878001553
Preis: 22,00€