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Roman Rozina hat einen bemerkenswerten Familien- und Epochenroman geschrieben, den er bei einer Lesung in der Romanfabrik Frankfurt vorstellte. Anlass hierfür war der Gastlandauftritt Sloweniens und sein bei Klett-Cotta erschienenes Werk „Hundert Jahre Blindheit“.
„<<Manchmal denke ich, man müsste alle Dinge in zwei Arten unterteilen, auf einer Seite wären Dinge, denen man auf den Grund gehen muss und auf der anderen die, bei denen man das lieber sein lässt>>.“
Rozina, Roman: Hundert Jahre Blindheit, 2023, Klett Cotta Verlag, S.219.
In diesem 600 Seiten umfassenden Buch entfaltet Rozina die Geschichte einer slowenischen Bergarbeiterfamilie und beleuchtet damit die wechselvolle slowenische Geschichte. Als Vorbild seines Werkes ist durchaus der Roman „Hundert Jahre Einsamkeit“ von Gabriel Garcia Marquez zu erkennen, allerdings verzichtet die erzählerische Ästhetik auf jeglichen magischen Realismus. Die Magie in diesem Buch liegt vielmehr in der blinden Hauptfigur Matija. Dieser gehört zur Bergarbeiterfamilie Knap, welche im fiktiven Ort Podgorje lebt. Dort erleben sie den Aufstieg und Niedergang der Kohleindustrie, der durchaus in direktem Zusammenhang mit den politischen Brüchen und Ereignissen des 20. Jahrhunderts steht. Die verschiedenen Familienmitglieder übernehmen in dieser Zeit durchaus einflussreiche Rollen. Ludvik träumt davon, eine kommunistische Gesellschaft zu etablieren und sieht sich als einen Arbeiterführer. Franciska bringt es als engagierte Lehrerin zur Frauenrechtlerin. Alojzij wiederum schaffen es innerhalb des Bergbaus zu großem wirtschaftlichem Erfolg und markieren dabei auch, dass die Wahl einer bestimmten Ideologie andere Aufstiege ermöglicht. Matija kann dies alles wegen seiner Einschränkung selbst nicht erreichen, aber ihm ist die Gabe gegeben, die Geschehnisse einem gefühlvollen Seismografen zu erzählen. Er selbst sucht für sich einen guten Mittelweg und scheitert im Gegensatz zu seinen Geschwistern deshalb auch nicht, denn er verschreibt sich keiner Ideologie. Für alle anderen sind die gewählten Ideologien zugleich tragisches Schicksal und verhindern ihren Erfolg. Gerade Ludvik und Franciska scheitern an ihren revolutionären Ansprüchen und werden mit ihren Ideen im Roman entzaubert. Somit wählt Rozina einen gänzlich anderen Weg als das berühmte Vorbild Marquez. Sein Roman nimmt jedweden Zauber aus dem Geschilderten, sondern betont den Realismus und wie dieser jedwede Ideologie stellen wird.
Die Figur Matija ist wirklich wunderbar gelungen und das tragende Element dieses Buches. Durch die Länge des Textes ergeben sich durchaus Passagen, die sich etwas schleppen, aber trotzdem fiebert man mit Matija und seinem Blick auf die sich wandelnde Familie mit. Sprachlich ist Rozina ein Buch gelungen, das sich flüssig lesen lässt und mich nie als Leser verliert. Für mich ist dieses Buch ein Highlight der Gastlandliteratur und verrät mir viel über die Bergarbeiterregionen Sloweniens und wie diese sich im geschichtlichen Verlauf mit ihren Bewohner:Innen immer wieder neu erfinden beziehungsweise orientieren mussten. Rozina gelingt es, seine Figuren direkt zu mir sprechen zu lassen, ihre Perspektiven zu verstehen und dabei ein Gespür für ein mir fremdes Land mit seinen Menschen zu entwickeln.
Fazit
Dieser Roman ist ein wunderbares Familienepos, das mit dieser Familie als Grundlage durch die slowenische Geschichte reist. Diese Geschichte wird immer wieder instrumentalisiert und doch bleiben die Figuren nur Spielbälle der Zeit. Die im Titel benannte Blindheit ist für mich zum einen ein Zeichen dafür, dass wir nie die Kontrolle haben werden und zum anderen eine Metapher dafür, wie die geschilderten Ideologien Blindheit bei ihren Anhängern einfordern. Rozina ist wirklich ein wunderbar zu lesendes Buch gelungen, dass mich begeistern konnte und das ich trotz seiner Länge schnell und gerne gelesen habe.
Autor:Inneninformation
Roman Rozina (geb. 1960) war zunächst als Zeitungs- und Fernsehjournalist tätig. Doch dann begann er sich dem literarischen Schreiben zu widmen und ist mittlerweile ein bekannter slowenischer Autor. Für seinen Roman „Hundert Jahre Blindheit“ erhielt er den wichtigsten slowenischen Literaturpreis.
Werbung aus Liebe zum Buch
Wertung: 🐧🐧🐧🐧
Titel: Hundert Jahre Blindheit
ISBN: 978-3-608-98728-7