Rosa, Isaac: Im dunklen Zimmer

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Bleib nicht da stehen. Komm doch rein, wir sind alle schon da.

Rosa, Isaac: Im dunklen Zimmer, S.7, Verlagsbuchhandlung Liebeskind 2022.

Mit dem heutigen Post setze ich mein Leseprojekt zum letztjährigen Buchmesse-Gastland fort. Isaac Rosa habe ich auf einer Gastlandveranstaltung gehört und die Idee des Buches, dass sich Gesellschaft in ein „dunkles Zimmer“ flüchtet hat mich fasziniert. Spanien und seine gesellschaftliche Entwicklung beobachte ich gerade, weil dort große Herausforderungen für die junge Bevölkerung bestehen und war gespannt was mir dieser Roman zeigen wird.

Verschiedene Freunde genießen die gemeinsame Zeit in einem Ladenlokal, bis eines Abends der Strom ausfällt. Diese neue Situation sorgt sofort für sexuelle Energie, eröffnet einen Raum, den man intensiv wahrnimmt und die Freunde entscheiden sich, diesen Raum nicht wieder aufgeben zu wollen. Sie beschließen im Untergeschoss dieses Ladenlokals einen Raum ohne Licht zu schaffen. Dieser Raum wird für sie alle zu einem festen Anlaufpunkt, er lädt ein seine Sinne intensiver zu nutzen und wird zugleich ein Raum für Experimente und sexuelle Freizügigkeit. Es ist die Phase eines Aufstieges in den 90er Jahren und das Zimmer gerät dann erst einmal in Vergessenheit. Doch die gravierende Wirtschaftskraft bringt diesen Kreis von Menschen zurück ins Zimmer, doch es ist nicht mehr vergleichbar mit den ersten Erfahrungen und es drohen Bedrohungen von außen, zumindest nimmt man dies so wahr. Isaac Rosa verarbeitet die Hintergründe der spanischen Gesellschaft in einem dunklen Raum, der einen großen Interpretationsraum eröffnet.

Eine Gleichsetzung in der Dunkelheit als Fiktionsraum?

Der Roman wird von einer Erzählstimme geschildert, die stellvertretend für die Freunde-Gruppe spricht und schon mit dieser Entscheidung setzt der Roman das Signal, dass es auch um Gruppenidentität geht. Für mich ist dieses Buch von Isaac Rosa ein wunderbarer Gesellschaftsroman, der mit seiner Grundidee sein ästhetisches Potential zielgerichtet verwendet, um Gesellschaft zu schildern und gleichzeitig mit einem Spieltrieb in Bewegung zu bringen. Der Roman nutzt diesen Raum anfangs um die Gruppe von Freunden als Personen darzustellen, die sich lustvoll auf den dunklen Raum einlassen. In der Anonymität verlieren sich alle Errungenschaften des Alltages und das Neue, vielleicht sogar Verbotene wird möglich. Man spürt wie sich die Unbekümmertheit durch die Figuren durchzieht und wie diese Unbekümmertheit ebenfalls ihren persönlichen Alltag prägt. Man ist sorglos, kann sich den Experimenten widmen, da man den persönlichen gesellschaftlichen Aufstieg vor Augen hat. Es entsteht ein konfliktfreier Raum, der die Sinne der durch die vielen medialen Einflüssen geprägten Menschen herausfordert. All dies schildert Rosa mit einer Sprache, die beim Lesen auch die eigenen Sinne aufweckt. Gleichzeitig spürt man, dass der Raum die Personen austauschbar werden lässt, ihren Alltagscharakter nimmt und damit die Idee des Raumes in den Vordergrund stellt. Das Buch lässt einen nur schwer los, zu stark regt es die eigene Gedankenwelt an, auch wenn der erste Teil an mancher Stelle den Schein von Langatmigkeit hat. Bleibt man jedoch beim Lesen dabei, wird man nicht enttäuscht.

Eine nicht mögliche Krisenflucht

Mit der wirtschaftlichen Krise, die global wirkt, aber in Spanien erhebliche Auswirkungen hat, steht der Raum vor  einer neuen Aufgabe. Nun wird er Zufluchtsort, verliert seine Unbekümmertheit und ist gleichzeitig fiktiver Sehnsuchtsort einer besseren Vergangenheit. Rosa gelingt dieser Sprung und gleichzeitig gelingt es ihm das Spannungsmomentum zu erhöhen. Die kriselnde Welt kann vom Fluchtort nicht fern gehalten werden. Gewalt und Fremdheit brechen in diese Welt und zerstören einen von Vertrauen geprägten Raum. Rosa nutzt seinen Handlungsort um metaphorisch über gesellschaftliche Entwicklung nachzudenken. Es zeigt sich, dass der jeweilige gesellschaftliche Aufstieg auch für eine Differenz in der ehemaligen Gruppe sorgt und es gelingt nicht mehr die alte Gruppenidentität heraufzubeschwören. Der Roman fordert einen zum Mitdenken auf und legt die Spuren möglicher Interpretationen doch deutlich. Allerdings belehrt dieses Buch nicht, nein es möchte keine Richtung weisen, sondern es bildet ab und  lässt aus der beobachtenden Perspektive Nachdenkräume entstehen. Umrahmt wird die zentrale Handlung durch Einschübe, die dann wiederum alles Geschilderte nochmals umdeuten und so vielleicht auch eine glorifizierte Vergangenheit gänzlich infrage stellt.

Fazit

Man erfreut sich an der Sprachgewalt und der Lust, mit welcher die Autorin ihre Figuren zu uns sprechen lässt. Es ist zudem eine gute Entscheidung nicht alles zu erzählen, sondern damit die Freiheit der beiden Mädchen in die Handlung zu übertragen. Trotzdem hätte ich mir an der ein oder anderen Stelle mehr roten Faden und zielgeführte Handlung gewünscht. Dies ist allerdings eine Frage des Lesegeschmacks. Die sprachliche Qualität und die freche Art sind eine aufhellende Entdeckung in der Literaturwelt und so empfehle ich dieses Buch als Wind für den eigenen Leseimpuls und für die Lust an Sprache und neuen Ideen. Für mein Leseprojekt zum Gastland Spanien war es auf jeden Fall ein gelungener Auftakt, auch wenn ich keine Höchstwertung vergebe.

Werbung aus Liebe zum Buch

Wertung: 🐧🐧🐧 🐧 🐧

Isaac Rosa: Im dunklen Zimmer

ISBN: 978-3-95438-151-7

https://www.liebeskind.de/buecher/backlist/item/im-dunklen-zimmer

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