#germanbookstagram #instabooks #bücherwurm #buchblogger #büchersucht #kulturblog #culturelove #gegenwartsliteratur #lesenheißterleben #lesenmachtneugierig #internationaleliteratur #rezensionen #buchtipp #morgenmorgenundwiedermorgen #tomorrowtomorrowandtomorrow #gabriellezevin #eichbornverlag #lübbe #books #freundschaft #90er #gaming #kindheit #lesenswert #lesen #popkultur #familienleben #booknerd #kulturblog #zeichnungen #culturelove #instaread #kulturtipps #reisenimkopf #neustart #erzähldiewelt #erzaehlwas
Dieser Roman hat meine Aufmerksamkeit zunächst wegen seines doch äußerst sperrig daherkommenden Titels geweckt. Allerdings habe ich mich lange gegen einen Kauf entschieden, bis ich auf Instagram und in den Feuilletons so viele tolle Besprechungen gelesen habe, dass ich es doch lesen wollte. Ich kann nur sagen: Gott sei Dank! Gabrielle Zevin hat wirklich einen wunderbaren Roman geschrieben.
Außenseiter mit Erfolg in der Gaming-Szene
Sam und Sadie werden in den 70er-Jahren geboren und lernen sich im Alter von elf Jahren in einem Krankenhaus in Los Angeles kennen. Sam muss dort viel Zeit wegen eines erkrankten Fußes verbringen, eine gesundheitliche Einschränkung, die ihn sein restliches Leben begleiten wird. Die beiden kann man durchaus als Außenseiter bezeichnen, doch über ihre Leidenschaft für Computer- und Konsolenspiele finden sie zueinander. Nach einiger Zeit Pause treffen sie sich während des Studiums erneut und beginnen gemeinsam Spiele zu entwickeln. Sie gründen eine Firma und starten mit der Spielreihe „Ichigo“ ihren kommerziellen Erfolgsweg. Doch der berufliche Erfolg kann über private Herausforderungen und Probleme nicht hinwegtäuschen.
Der Roman punktet zunächst mit seiner Schilderung der 90er, die mich natürlich in Erinnerung schwelgen lässt. Zugleich wird die Gaming-Szene zu einem gesellschaftlichen Spiegel und Gabrielle Zevin gelingt es anhand dieser Szene aktuelle Themen zu verarbeiten.
„MAZER: Die Alternative zur Aneignung wäre eine Welt, in der Künstler sich nur auf ihre eigene Kultur beziehen.“
Gabrielle Zevin: Morgen, morgen und wieder morgen, 2023, Eichborn Verlag, S.118.
Dieses Zitat ist ein anschauliches Beispiel dafür, denn in wenigen Zeilen wird pointiert das Thema kulturelle Aneignung zugespitzt dargestellt. Die beiden Charaktere stehen zudem symbolisch für eine Generation, die nach individueller Freiheit strebt und sich ihre Eigenheiten bewahrt, nicht in der Masse untergehen möchte. Ihr Außenseiterdasein zeigt sich auch in den Protagonisten der von ihnen programmierten Spiele.
Grundsätzlich hege ich schnell Sympathien für die beiden Hauptfiguren. Ihr Außenseiterdasein, das nerdige Auftreten, begleitet von einem hohen Reflexionsgrad gibt ihnen einen spannenden Charakter. Zudem stehen beide bei sozialen Kontakten immer wieder vor neuen Herausforderungen. Gabrielle Zevin komponiert um die beiden Hauptcharaktere mit dem Mitstudierenden Max eine Figur, die zunächst ausgleichend wird und dann doch zu einer Beziehungsbelastung. Das gesamte Buch lebt von der Spannung der zwischenmenschlichen Beziehungen seiner Charaktere. Sam und Sadie scheinen ein perfektes Liebespaar zu sein, doch genau diese Rolle nehmen sie nie ein. Sie leben eine innige Freundschaft und beweisen mit ihren Höhen und Tiefen, dass eine solche alles überdauern kann. Zudem zeigt der Roman im Rahmen dieser Figurenbeziehung, wie Sprachlosigkeit durch geschilderte Handlungen ersetzt wird. Nie verlieren die beiden in Tiefen den innigen Kontakt zueinander.
„>>Was ist ein Spiel?<<, fragte Marx. >>Es ist morgen, morgen und morgen. Die Möglichkeit einer unendlichen Wiedergeburt und unendlichen Erlösung. Die Vorstellung, dass du, solange du weiterspielst, gewinnen kannst. Kein Verlust ist von Dauer, denn nichts ist von Dauer, niemals.<<“
Gabrielle Zevin: Morgen, morgen und wieder morgen, 2023, Eichborn Verlag, S.471.
Wie stark es dem Text gelingt, komplexe gesellschaftliche Aspekte zu verarbeiten und über die Gaming-Szene zu kommentieren, zeigt dieses Zitat exemplarisch. Für mich öffnet der Roman mit der geschilderten Handlung ebenfalls eine Spielwiese. Nur die beiden Protagonisten bleiben immer präsent und müssen ihr Abenteuer gemeinsam bestehen. Fehler oder falsche Entscheidungen geschehen und man hadert durchaus damit, dass man nicht wie in einem Spiel nochmals eine Sequenz vorher anfangen kann. Trotzdem sind die beiden Hauptfiguren immer wieder in der Lage sich auch nach Krisen in das vorherige innige Verhältnis zurückzufinden, sie sind somit immer wieder diejenigen, die ihr Spiel neu starten. Doch der Roman ist nicht blauäugig, er macht deutlich, dass gemeinsame Erlebnisse immer prägend bleiben. Es ist dieses Geschick Dinge einfach zu schildern, ohne ihnen ihre Komplexität zu nehmen, welches dieses Buch für mich ganz besonders auszeichnen. Gepaart wird dies mit der Hommage an Kultspiele wie Super Mario und der kindlichen Begeisterung der Protagonisten hierfür. Diese wächst sich in eine Leidenschaft aus, welche die beiden erwachsen werden lässt. Damit wird nichts ausgelassen bei der Figurenentwicklung, es geht um das Erfahren von Neid, Vertrauensverlust, Liebe und Freundschaft, ohne dass es jemals in Kitsch endet.
Fazit
Dieser Roman begeistert mich zum einen damit, dass er Kindheitserinnerungen der 90er-Jahre gezielt weckt und auf diese Weise auch die Nähe zu den beiden Hauptfiguren erhöht und zum anderen mit der liebevollen Darstellung der beiden. Zudem gelingt es Zevin auf hohem literarischem Niveau gesellschaftlich relevante Themen im Text zu verarbeiten, ohne dabei die Gamingszenerie verlassen zu müssen. Die von Höhen und Tiefen geprägte Freundschaft trägt über den gesamten Roman hinweg die Handlung. Dieses Buch kann ich tatsächlich jedem nur wärmstens empfehlen, der sich einen Gegenwartsroman mit einer herzerweichenden Geschichte wünscht.
Werbung aus Liebe zum Buch
Wertung: 🐧🐧🐧🐧1/2🐧
Gabrielle Zevin: Morgen, morgen und wieder morgen
ISBN: 978-3-8479-0129-7
https://www.luebbe.de/eichborn/morgenmorgenmorgen/id_10220124
