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Heute beginne ich eine neue Reihe auf meinem Blog. Die Idee dazu ist mir gekommen, da ich seit Jahren ein politisch engagierter Mensch bin und mir viele Gedanken um die Gesellschaft mache. Umso erschütterter bin ich über die aktuellen Entwicklungen. Ich selbst habe mein ehrenamtliches kommunalpolitisches Engagement beendet, auch weil ich etwas Neues versuchen möchte und mich auf anderen Wegen engagieren will. Mein Interesse an unserer Gesellschaft und ihrer Entwicklung hat nämlich nicht abgenommen. Aktuell ist es leider so, dass wir viele hitzige Debatten erleben. Aus meiner Sicht liegt dies an vielen Stellen auch daran, dass wir andere Menschen und ihre Situation gerne pauschal beurteilen und Wertungen vornehmen.
Mir haben Bücher immer wieder geholfen, mich in Diskussionen auf andere Menschen einzulassen, denn Bücher ermöglichen es, die Perspektive zu wechseln und das eigene Denken zu erweitern. Ich möchte deshalb nun jeden Monat ein Buch vorstellen, mit dem ich und vielleicht auch ihr die Perspektive wechseln könnt. Somit startet heute die Reihe „Zwölf Perspektiven“, und ich möchte Euch dabei einladen, mit mir zu diskutieren und werde zu jedem Buch die Community einbinden. Ich bin gespannt, wie Euch dieser Ansatz gefallen wird.
In der Reihe, weil mich dieses Buch im Rahmen einer Veranstaltung des Frankfurter Lesefestes OpenBooks während der Buchmesse umgehauen hat. Ich habe es direkt nach der Veranstaltung verschlungen, denn es hat mich aufgefordert meine Perspektive zu wechseln und selbstkritisch auf mein vergangenes Engagement zu blicken.
Darum geht’s:
Der ehemalige Mannheimer Oberbürgermeister Peter Kurz wirft in zehn Kapiteln einen Blick auf unser demokratisches System und beleuchtet dabei die verschiedenen politischen Ebenen und das Verhältnis zur Bürgerschaft.
Bewertung:
Peter Kurz weiß, dass er mit seinem Ansatz vor allem nur zum Nachdenken anregen kann, die perfekte Lösung für „Gute Politik“ liegt aber auch bei ihm nicht auf dem Tisch. Er stellt verschiedene Thesen in seinem Buch vor, untermauert diese aber mit klugen Reflexionen anhand eigener Erfahrungen. Gerade diese Erfahrungen machen das Buch so lesenswert. Zudem ist die Darstellung pointiert, gut lesbar geschrieben und ohne einen erhobenen Zeigefinger. Er zeigt vor allem auf, dass sich die Politik ändern muss. Während der Diskussion in Frankfurt am Main, wo er sein Buch in einem Gespräch mit der ehemaligen Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth vorstellte, stellte er fest, dass unsere Demokratie aktuell nicht gut läuft. Er möchte dies jedoch nicht auf einen in Deutschland grassierenden Populismus aufgrund schlechter Regierungsleistungen der Ampel-Koalition reduziert sehen. Vielmehr werden Demokratien global durch Populismus bedroht und dieser zeigt sich auch in Ländern wie der Schweiz oder Norwegen, wo ganz andere politische und gesellschaftliche Verhältnisse herrschen. In seinem Buch hält er fest, dass es sich um einen globalen populistischen Angriff handelt und man Populismus als Methode fassen sollte und nicht als Meinung missverstehen darf. Das politische System muss diesen Angriffen gegenüber resilienter werden, doch dafür muss man sich strukturell wappnen. Kurz macht aus seiner Erfahrung strukturelle Defizite in unserem aktuellen politischen System aus.
Zunächst stellt er eine Entfremdung zwischen Bund und Kommunen fest, dies muss sich jedoch ändern. Kommunen sind nämlich die eigentlichen Vorhabenträger der politischen Herausforderungen unseres Landes. Während Corona hat sich aus seiner Sicht gezeigt, dass eine solche Verzahnung und Einbindung bessere Lösungen gebracht hat. Kommunen lösen die Probleme besser, denn sie sind näher dran am gemeinschaftlichen Zusammenleben und haben somit die nötige Expertise für unter anderem Integrationsmaßnahmen. Kommunal kann Integration gelingen, denn es braucht eine kommunale Identität. Wenn Menschen, ob aus dem In- oder Ausland, nach Mannheim ziehen, so ist das Ziel, dass diese sich als „Mannheimer“ sehen. Dann kann man auch Loyalität einfordern.
Zu viele Vorschriften verhindern jedoch pragmatisches Handeln. Allerdings schränkt dies Handlungsmöglichkeiten ein. Als bestes Beispiel benennt er hier eine verfehlte Bildungspolitik, die Richtlinien setzt, statt pädagogische Arbeit abhängig von der Situation vor Ort zu ermöglichen. Überhaupt diskutiert Politik viel zu wenig über Ergebnisse. Man redet viel über die eingesetzten Finanzmittel, aber nicht darüber, was sie am Ende gebracht haben. Die Fördermittel von Bund und Land sollten den Kommunen in Eigenverantwortung zugehen, statt sie mit Richtlinien zu erschlagen. Man sollte die Kommunen zu Zielen verpflichten und sie dann mit Mitteln ausstatten.
Hier kann man zum Beispiel beim Blick in den Mannheimer Haushalt einen Einblick erhalten, wie man seine Ziele vielleicht durch Bürgerbefragung und -bewertungen prüfen kann.
Im Verhältnis zur Bürgerschaft muss sich ebenfalls etwas ändern, denn Politik ist zu einer Dienstleistung verkommen und genau das ist sie nicht. Politik ist ein Aushandlungsprozess vieler Interessen, und diesen muss man transparent zeigen. Oftmals gebe es falsche Erwartungen bei der Bürgerschaft, er sieht in diesem Zusammenhang auch Bürgerbeteiligungsprozesse kritisch. Letztere verlängern Prozesse, stattdessen brauchen wir bessere Debatten zur Politik. Hier verweist Kurz darauf, dass wir alle eine offene Bereitschaft zur Diskussion mitbringen müssen und hierzu auch Qualitätsmedien gehören, die aber gerade regional zunehmend abnehmen. Ich war immer ein großer Befürworter von Bürgerbeteiligung, aber die von Kurz vorgebrachten Argumente sind stimmig, denn meist schließen diese Prozesse schon allein in ihrer Ausgestaltung Menschen aus, denn es wird Zeit benötigt. Ganz entscheidend fand ich seinen Hinweis auf ein herrschendes falsches Mandatsverständnis. Zu oft versucht Politik durch Anpassung an die Bürgerschaft Zustimmung zu erheischen, statt transparent und ehrlich klare Aussagen zu treffen. Herausforderungen wie der Klimawandel und notwendige Transformationsprozesse erfordern Ehrlichkeit und Prioritäten. Politik muss dabei auch Gegenwind aushalten.
Ich blicke nach dieser Lektüre kritisch auf meine Tätigkeit in der Kommunalpolitik und hinterfrage bestimmte Handlungsweisungen, und dies gelingt dem Buch durch seine verständlich geäußerte Praxisnähe. Zu oft agiert man sicherlich pauschal, koppelt Entscheidungen zu wenig an den Bürgerwillen. Peter Kurz möchte zum Nachdenken anregen, ihm geht es nicht darum, seiner Leserschaft zwingend zu gefallen. Seine Botschaft am Lesungsabend war, dass man über Konzepte streiten sollte und nicht über Lebensweisen. „Was wir für gute Politik brauchen“ ist nach diesem Buch vor allem ein Perspektivenwechsel mit Veränderungen an der politischen Struktur.
Meine offenen Fragen:
Kann man diese Erfahrungen eines Bürgermeisters einer Großstadt auf alle Kommunen übertragen?
Wie kann der Turnaround gelingen?
Fazit:
Dieses Buch ist großartig und packt mich natürlich auch wegen meiner praktischen Erfahrung, es ist aber auch für jeden anderen eine tolle Lektüre. Für mich sollte es für alle politisch Aktiven eine Pflichtlektüre sein. Für politisch interessierte Menschen ist es auf jeden Fall eines der aktuell wichtigsten Sachbücher.
Autor:Inneninformation
Peter Kurz, geboren 1962, war bis 2023 Oberbürgermeister der Stadt Mannheim. Nach dem Jurastudium wurde er Richter am Verwaltungsgericht in Karlsruhe und 1999 in Mannheim Bürgermeister für Bildung, Kultur und Sport. Als OB von Mannheim war er u. a. im Präsidium des Deutschen Städtetags.
Werbung aus Liebe zum Buch
Wertung: 🐧🐧🐧🐧🐧
Titel: Gute Politik. Was wir dafür brauchen
ISBN: 978-3-10-397663-2
https://www.fischerverlage.de/buch/peter-kurz-gute-politik-9783103976632