Reckwitz, Andreas: Verlust. Ein Grundproblem der Moderne.

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Auf der Leseliste, weil ich ein großer Fan von Andreas Reckwitz bin. Zudem habe ich den Autor auf dem Lesefest zur Frankfurter Buchmesse live erlebt und er hat mich mit seiner Arbeit beeindruckt.

Darum geht’s:

Andreas Reckwitz analysiert in diesem Buch, welchen Verlusterfahrungen Menschen ausgesetzt sind und wie prägend diese Erfahrungen für unsere moderne Gesellschaft sind. Er beobachtet präzise und arbeitet heraus, dass die Fortschrittsorientierung der Moderne ein Verlustparadox mit sich bringen muss. Aufbauend auf präzisen Analysen kommt Reckwitz zum Urteil, dass wir einen neuen Umgang mit Verlusterfahrungen brauchen.

Meine Bewertung:

Durch den Soziologen Andreas Reckwitz ist die Soziologie wieder zu einer wichtigen Leitwissenschaft geworden. Mit seinem Buch „Gesellschaft der Singularitäten“ hat er bewiesen, mit seinen Analysen wichtige gesellschaftliche Entwicklungen zu deuten. Nun wendet er sich durch die Beschäftigung mit dem Thema „Verlust“ einer entscheidenden Komponente moderner Gesellschaften zu. Er begründet dies mit der Konjunktur von Büchern, die sich mit Verlust beschäftigen und den uns allen bekannten Endzeitnarrativen und dem steigenden Interesse an diesen. Ich kann dies während seines Vortrags als logischen Schluss begreifen. Reckwitz erweist sich in seinem Buch wieder einmal als präziser Beobachter. Er beginnt zunächst Verlustnarrative zu analysieren, die auf den ersten Blick wenig Zusammenhang zu haben scheinen, doch gezielt wird die Verschränkung im Umgang mit diesen sichtbar. Drohende oder schon sichtbare Verlusterfahrungen machen wir mit dem Klimawandel, der wirtschaftliche Wandel bringt Verlusterfahrungen und verschränkt sich mit einer Abstiegsangst. Aber um Verlust geht es auch in anderen Bereichen, wie zum Beispiel beim Thema Beutekunst. Dies widerspricht einem in der Moderne vorherrschenden Grundnarrativ, welches auf Fortschritt ausgerichtet ist. Dies hat uns allen implementiert, dass individuelles Scheitern ein persönliches Problem ist.

Wie radikal dieses Grundnarrativ ist, macht man sich erst bewusst, in dem man erkennt, dass Verlusterfahrungen, wie zum Beispiel durch den Tod, immer Begleiter unseres Lebens sein müssen. Indem sich die Moderne am Neuen orientiert, verdrängt jede Entwicklung Altbekanntes und muss folglich Verlusterfahrungen mit sich bringen. Dies kalkuliert unser Fortschrittsglaube jedoch nicht transparent ein. Daraus ergibt sich ein besonders ambivalentes Verhältnis zum Verlust. Reckwitz nennt dies das Verlustparadox der Moderne.

In den letzten Jahren haben die kollektiven Fortschrittserwartungen deutliche Dämpfer erhalten und die Verlusterfahrungen sind sichtbar geworden. Das Gefühl, Verlierer von Modernisierungsentwicklungen zu sein, ist so stark, dass man diese Personen nicht mehr für Zukunftshoffnungen gewinnen kann. Hieraus ziehen Populisten ihre Kräfte. Mich erinnert dies stark an die bereits auf dem Blog besprochenen Bücher von Steffen Mau und Eva Illouz. Es ist deshalb wichtig, sich beim Blick auf die politischen Entwicklungen mit diesen Büchern zu beschäftigen.

Andreas Reckwitz benennt drei Möglichkeiten des Umgangs. Zum einen kann es auf einen Kollaps hinauslaufen, den aber sicherlich niemand möchte. Eine weitere Möglichkeit wäre, wenn sich wieder ein überzeugendes Fortschrittsnarrativ durchsetzt, doch dieses ist nicht in Sicht. Realistischer ist es Reckwitz zufolge, dass wir uns der Reparatur zuwenden. Hier nennt Reckwitz den Begriff Resilienz. In diesem sieht er einen kompensierenden Umgang mit Verlusten, Voraussetzung ist die Bereitschaft auch im Verlust und der damit verbundenen Veränderung eine Chance zu sehen. Diese Botschaft klingt einfach, aber der Punkt sich dieser Realität zu versichern ist einfach und kann identitätsstiftend wirken.

Viele der präsentierten Gedanken sind nicht neu, aber in der dargelegten Kombination einprägsam.

Mein Fazit: Ich stimme der These zu, dass man beim Lesen von Reckwitz spürt, dass Soziologie eine Leitwissenschaft sein sollte. Seine Bücher sind für mich allesamt erhellend. Ich verstehe die Vorgehensweise und kann die Schilderungen mit persönlichen Erlebnissen verknüpfen. Dieses Buch ist klar in seinem argumentativen Aufbau und schon jetzt mein erstes Jahreshighlight.

Autor:Inneninformation

Andreas Reckwitz, geboren 1970, ist Professor für Allgemeine Soziologie und Kultursoziologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sein Buch Die Gesellschaft der Singularitäten wurde 2017 mit dem Bayerischen Buchpreis ausgezeichnet und stand 2018 auf der Shortlist des Sachbuchpreises der Leipziger Buchmesse. 2019 erhielt er den Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft. 

Werbung aus Liebe zum Buch

Wertung: 🐧🐧🐧🐧🐧🐧

Titel: Verlust. Ein Grundproblem der Moderne.

ISBN: 978-3-518-58822-2https://www.suhrkamp.de/buch/andreas-reckwitz-verlust-t-9783518588222

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