Lewandowsky, Marcel: Was Populisten wollen

#bookstagram #buchtipps #marcellewandowsky #kiepenheuerundwitsch #waspopulistenwollen #politik #demokratie #europawahl  #bookstagramgermany #reading #empfehlung #niewiederistjetzt #gelesen #germanbookstagram #bücherliebe #kulturwissenschaft #lesen #buchblogger #bookreview

Am heutigen Tag möchte ich Euch ein frisch neu erschienenes Buch vorstellen. Wenige Tage vor der Europawahl möchte ich einen Titel empfehlen, der sich mit der politischen Entwicklung in unserer Welt beschäftigt. Geschrieben hat das Buch „Was Populisten wollen“, erschienen bei Kiepenheuer und Witsch, Politikwissenschaftler Marcel Lewandowsky. Er widmet sich damit den aufsteigenden populistischen Politiker:Innen, wie wir es mit Giorgia Meloni in Italien, Donald Trump in den USA oder hierzulande anhand der Alternative für Deutschland beobachten können.

Er verknüpft für seine Schilderungen, Erlebnisse und Gespräche mit Menschen aus seinem Alltag mit Beobachtungen verschiedener Bewegungen. Dies markiert aus meiner Sicht eine der ersten Stärken des Buches. Vor uns liegt keine politikwissenschaftliche Abhandlung, sondern man kann den Gedanken von Lewandowsky gut folgen. Sein Werk ist damit für die breite Masse lesbar und kann einem größeren Leserkreis dabei helfen, die Geschehnisse in unserer politischen Umwelt zu greifen. Ebenfalls gelungen ist, wie Lewandowsky anhand verschiedener Interviews und Aussagen aufzeigt, dass sich die Populisten nicht als Gegner der Demokratie inszenieren. Vielmehr inszenieren sie sich als die wahren Verteidiger:Innen unserer politischen Grundordnung. Dabei zeigt sich eine Ambivalenz zwischen diesem Storytelling und den Grundüberzeugungen der handelnden Personen. Doch nicht nur die zu Wählenden nimmt der Politikwissenschaftler in den Blick, sondern weist auch darauf hin, dass es sich bei den Wähler:Innen um Menschen handelt, die durchaus verschiedene Punkte der Populisten und deren Programmatik teilen und man das Wähler:Innenverhalten keinesfalls nur als Protestform betrachten darf. Der Rückblick auf die populistischen Entwicklungen der vergangenen Jahre ist besonders gut gelungen im Buch. Kritik wird sicherlich hervorrufen, dass Lewandowsky kein eindeutiges Urteil darüber fällt, ob alle diese Bewegungen die Demokratie in ihren Grundfesten attackieren werden. Allerdings ist es genauso schwierig, dies als Grundurteil über alle Bewegungen hinweg zu fällen. Populismus ist das Thema des Wissenschaftlers und er erläutert diese Art des politischen Storytelling unabhängig, ob es von links oder rechts verwendet wird. Gleich sind allen die Grundausrichtung. Sie versuchen eine Gruppenidentität über einen Begriff „des Volkes“ zu generieren und machen damit das Kampffeld gegen „Eliten“ auf. Die Behauptung, dass sich das politische System von den Wähler:Innen entkoppelt hat, ist somit die Grunderzählung. Zugleich ist die „Volksidentität“ ein vorerst klar zu verstehender Begriff, doch je näher man sich diesem und der dahinterstehenden politischen Programmatik nähert, ist zu erkennen, wie elitär dieses „Volk“ zukünftig ausgestaltet werden soll. Lewandowsky hat einen fein sensorischen Blick auf Inszenierungsstrategien. Er erläutert nachvollziehbar, wie Björn Höcke schon allein durch die Art des Auftretens sich sofort als derjenige präsentieren kann, den das elitäre System fernhalten möchte. Ich stelle beim Lesen des Buches mit Erschrecken fest, wie wenig wir auf diese populistischen Strategien vorbereitet sind. Lewandowsky liefert keine pointierte Definition von Populismus, aber anhand seiner Schilderungen gelingt es zumindest im politischen Bereich, bestimmte Merkmale auszumachen.

Das Bekämpfen des Populismus, in dem man den Kontrahenten immer wieder ermöglicht, eine Opferrolle einzunehmen, erweist sich auf jeden Fall nicht als die richtige Gegenstrategie. Ebenso ist es mit dem Aufgreifen von Themen zu sehen. Sofern die Populisten mit ihren Themensetzungen als treibende Kraft wahrgenommen werden, verstärkt dies nur die Bindung ihrer Wählerschaft. Letzteres ist für mich die wichtigste Botschaft des Buches. In der politischen Auseinandersetzung muss es den anderen Parteien darum gehen, nicht die Kernwählerschaft der Populisten zurückzugewinnen, sondern all jene, wo es den Populisten gelang, bestimmte Einschätzungen und Ängste zu aktivieren. Bei seinen Betrachtungen zu Wahlen fehlt mir allerdings, dass er die immer größer werdende Gruppierung der Nichtwähler nicht beachtet.

Klar ist, dass wir für unsere Demokratie Engagement zeigen müssen und so endet das Buch von Lewandowsky auch mit Strategien gegen den Populismus. Hoffnung schöpft der Autor aus den Geschehnissen in Polen, wo die PiS die vergangene Wahl verlor. Statt von den Populisten Themen zu übernehmen und diese zugespitzt zu besetzen, braucht es eine demokratische Auseinandersetzung. Unterschiede müssen herausgearbeitet werden. Dabei darf es nicht darum gehen, die Populisten zu brandmarken, sondern diese müssen inhaltlich gestellt werden. Lewandowsky vertraut darauf, dass sie durch die inhaltliche Auseinandersetzung als gefährlich entlarvt und zudem politische Ziele offenbart werden, die nicht den Interessen der Wählerschaft entsprechen. Den Journalisten rät Lewandowsky sich von dem Gedanken zu verabschieden, dass man Populisten in gleicher Weise wie die politische Konkurrenz darstellen kann. Es braucht für die inhaltliche Auseinandersetzung eine Härte in der Nachfragerhetorik, die falsche Darstellungen entlarven. Sicherlich hätte man sich hier noch mehr Strategien gewünscht, aber ich empfinde es als gut, dass dieses Sachbuch sich nicht überlädt, sondern auf wenige Beobachtungen und Strategien setzt. Dies macht das Buch aus meiner Sicht zu einer lohnenden Lektüre.

Fazit

Marcel Lewandowsky hat aus meiner Sicht ein wichtiges Buch in unserer aktuellen Zeit geschrieben. Er sensibilisiert uns für die Strategien von Populisten und ergreift dabei nicht Partei für eine reine Freund-Feind-Betrachtung, sondern fordert dazu auf, sich der Herausforderung durch Populisten mit hohem Engagement und Demokratievertrauen entgegenzustellen. Wichtig ist hierbei nur, dass wir uns bemühen die Regeln zu definieren und den Kommunikationsstrategien des Populismus nicht auf den Leim gehen. Dies alles verpackt der Politikwissenschaftler in ein wirklich gut lesbares und gerade wegen seiner Abkehr von Komplexität lohnenswertes Buch.

Autor:Inneninformation

Marcel Lewandowsky (1982) studierte Politikwissenschaft, Neuere Geschichte und Öffentliches Recht. Promovierte und habilitierte und forscht seit über 15 Jahren zu den Themen Populismus, Parteien- und Demokratieentwicklung. Er war Lehrbeauftragter an der University of Florida und an verschiedenen Hochschulen in Deutschland.

Werbung aus Liebe zum Buch

Wertung: 🐧🐧🐧🐧1/2🐧

Titel: Was Populisten wollen

ISBN: 978-3-462-00672-8

https://www.kiwi-verlag.de/buch/marcel-lewandowsky-was-populisten-wollen-9783462006728

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert