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Judith Keller hat ihren 2023 bei Luchterhand erschienenen Roman „Wilde Manöver“ bei einer Lesung im Mousonturm vorgestellt. Wer der Lesung lauschen konnte, hatte schnell den Eindruck, dass dieser Roman wahrscheinlich als Krimi gut funktionieren würde, aber genau dies nicht sein würde. Die Botschaft dieses Buches ist vor allem, dass es sich gegen jedwede bekannte Struktur wehren möchte. Hier werden Strukturen durcheinandergebracht. Dies betont die Autorin auch bei ihrer Lesung.
„Aber man dürfe nie die Hoffnung aufgeben, man muss stark daran glauben vor allem hart dafür arbeiten, selbst dann, wenn alles vergebens scheine. “
Keller, Judith: Wilde Manöver, 2023, Luchterhand Verlag, S.176.
Die Zusammenfassung der Handlung kann relativ schnell erfolgen. Im Parkhaus eines Einkaufszentrums wird ein Paket samt dem Lieferwagen entwendet. Anhand der Überwachungskameras vermuten die ermittelnden Behörden ein illegales Geschäft, vermutlich Drogenhandel. Verdächtigt werden die zwei jungen Frauen Vera und Poli. Die beiden werden unabhängig voneinander durch einen Kommissar befragt. Doch keines der Gespräche bringt Licht ins Dunkle dieses mutmaßlichen Verbrechens. Stattdessen werden die geschilderten Geschehnisse immer absurder. Die Antworten der beiden Frauen sind so gestrickt, dass sich daraus kein einziges nachvollziehbares Argument für deren Verhalten ableiten lässt. Gegenstände werden von einem Platz an den anderen gebracht, ohne dass dies sinnvoll erscheint. Eingebungen erhalten die beiden Frauen zum Beispiel durch Baukräne, die ihnen angeblich die Richtung gewiesen hätten. Somit ist es für die Polizisten nicht möglich, über ihre Verhörmethoden Beweise zu sammeln. Dieses Buch verweigert sich mit seiner Handlung jeglichem Gedanken eines roten Fadens.
Eingebettet ist alles in einen Prolog, welcher das Finden der Vernehmungsprotokolle dokumentiert. Durchaus haben die beiden Frauen Kontakt mit Drogen, doch ihre Antworten weisen ins Sinnlose, geben den geschehenen Handlungen keinerlei Tiefe. Zugleich mutet das Verhalten der beiden Frauen reaktionär, gar revolutionär an, doch eine Tiefe erhält diese Dimension nie. Dieser Text verliebt sich in seine Uneindeutigkeit und kann sprachlich durchaus überzeugen. Die vor uns liegenden Buchseiten sind quasi ein Tagebuch, das Jahre nach den Ereignissen in einem Forschungsinstitut gelandet ist. Das Geschilderte ist ein wilder Trip, dessen sprachliche Finesse immer wieder aufscheint und einen an vielen Stellen tatsächlich zum Schmunzeln bringt. Bei einer Lesung im Hessischen Literaturforum im Mousonturm in Hessen muss ich für mich konstatieren, dass ich diesem Buch beim Hören mehr als beim Lesen abgewinnen konnte. Der Roman erhält ausschließlich durch die Vernehmungstage. Dieses Buch muss man als eine Feier der literarischen und fiktiven Möglichkeiten begreifen. Es eröffnet einen Diskursraum, der nie enden kann, weil genau dies die Botschaft des Romans ist.
Fazit
Man darf die Idee dieses Romans durchaus als spannend bezeichnen und zugleich ist diese Feier des Verweigerns von Eindeutigkeit eine zu hohe Bürde für den Roman. Dieser Roman verliert sich in seinen wirren Wendungen, und mir ist nur das Feiern des Surrealen für dieses ganze Buch zu wenig. Sprachlich ist Judith Keller auf hohem Niveau unterwegs, doch insgesamt kann mich dieses Buch nicht überzeugen. Die Lektüre dieses Romans abseits des Mainstreams ist wirklich nur Freunden experimenteller Literatur zu empfehlen.
Autor:Inneninformation
Judith Keller (geb. 1985) ist eine schweizerische Schriftstellerin. Sie studierte zunächst Germanistik in Zürich und wechselte dann ans Literaturinstitut in Biel. Sie war als Redakteurin bei der Literaturzeitschrift Edit tätig. “Wilde Manöver“ ist ihr fünftes Werk.
Werbung aus Liebe zum Buch
Wertung: 🐧🐧1/2🐧
Titel: Wilde Manöver
ISBN: 978-3-630-87743-3
