Hirschl, Elias: Content

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Elias Hirschl präsentiert in seinem neuen Roman „Content“ die Welt der sogenannten Clickbaiter. Ich habe mich schon einmal mit Jobs im Kontext der digitalen Media auf diesem Blog beschäftigt, die in Zusammenhang mit den Sozialen Medien und dort gezeigten Inhalten stehen. Berit Glanz hat sich ebenfalls mit diesen Jobs in ihrem Roman „Automaton“ beschäftigt. Mich hat dieses Thema schon damals fasziniert und auch deshalb wollte ich Hirsch lesen und ihn außerdem live beim Hessischen Literaturforum im Mousonturm in Frankfurt erleben.

„Lange kann sie diese Fantasie nicht aufrechterhalten. Was sie verrückt macht, ist die Tatsache, dass sie jahrelang dafür bezahlt wurde, Wörter zu schreiben, nur damit sie von jemand anderem gelöscht wurden. “



Hirschl, Elias: Content, 2024, Zsolnay Verlag, S.19.

Die namenlose Ich-Erzählerin berichtet von ihrem beruflichen Alltag in einer Firma namens „Smile Smile Inc“, wo ihre Aufgabe darin besteht, Clickbait-Listen zu erstellen. Dies sind Listen, wie sie uns allen schon einmal beim Surfen im Netz begegnet sind. Listen mit Titeln wie „Die besten Lifehacks“, oder die lustigsten Tierfilme. Konkret nennt man diese Listen „Listicles“. Wie ihre Firma dabei Geld verdient, ist unserer Protagonistin nicht klar. Zudem entstehen in der Firma Videos, die sinnlos anmutende Handlungen zeigen, wie unter anderem die Zerstörung von Handys in einem Mixer. Es ist eine stupide Arbeit, quasi das Fließband der digitalen Welt. Eine ihrer Kolleginnen landet in einer psychiatrischen Klinik und doch sorgt dies nicht für ein großes Hinterfragen des eigenen Arbeitsalltages. Kritischer ist für die Hauptfigur eher, dass ihre Identität gestohlen wird. Die Erzählerin versucht zu ergründen, wie es dazu kommen konnte, sieht sich aber auch nicht in einer bedrohlichen Lage. Sie wirkt wie eine Gefangene des Systems und optimiert ihre Arbeitsweise sogar, indem sie eine Künstliche Intelligenz nutzt, um ihre Arbeit effektiver zu lösen.

Elias Hirschl hat keinen Roman geschrieben, der uns mit einem spannenden Plot fesselt. Vielmehr dient der Plot dazu, diese uns als Nutzer bekannte Welt auszustellen und uns in die erschreckenden Hintergründe zu führen. Anders als bei Berit Glanz wählt Hirschl das ästhetische Mittel der Satire. Durchaus absurde Entwicklungen wie eine App, die einem schneller im Brandfall helfen soll, hierfür aber eine Direktabbuchung benötigt, zeigen auf, welche Wege unsere technische Entwicklung nehmen könnte und vergessen trotz Satire nicht die Gefahr aufzuzeigen. Hirschl hat sich intensiv mit dieser Welt beschäftigt und dies merkt man vor allem in der Sprache und den geschilderten und realen Trends der digitalen Medien. Sein Roman betont, dass mit künstlerischer Intelligenz die geschilderten stumpfsinnigen Arbeiten erledigt werden könnten und damit durchaus die Arbeitswelt verbessern, zugleich aber Inhalte nur reproduziert und nicht hinterfragt werden. Zugleich zeigt dieser Roman, wie wir uns in die Abhängigkeit von technischen Systemen begeben und uns in sie hineinziehen lassen. Durch die hohe sprachliche Qualität bekommt man gar den Eindruck, dass bei diesem Roman technische Bots am Werk waren und genau damit betont Hirsch die Ambivalenz von uns als Leserschaft. Wir sind wie die Hauptfigur Teilnehmende am System, wissen durchaus um das Groteske daran, steigen aber nicht aus. Stattdessen sind wir wie teilnehmende Beobachter, die jedoch nie die Kritikebene dominieren lassen. Der Roman schafft es mir, diesen Spiegel vorzuhalten und mich gleichzeitig zu unterhalten. Hirschl hat das Buch ästhetisch gut gebaut und an vielen Stellen muss ich mehr als nur schmunzeln. 

Fazit

Elias Hirschl gelingt hier eine kluge und unterhaltsame Lektüre und holt mich damit wunderbar ab. Mich schockieren die Reflexionen über die Arbeitsplätze hinter unseren sozialen Medien, doch viel schlimmer ist der Grad an stupider Unterhaltung, dem wir uns schon bereitwillig hingeben. Dieses Buch überdreht durchaus an bestimmten Stellen, verliert dabei aber nie das Ernsthafte des Geschilderten. Dieses Kunststück macht diesen Roman zu einem gelungenen Beitrag der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. 

Autor:Inneninformation

Elias Hirschl (geb. 1994) ist ein österreichischer Schriftsteller und Musiker. Er ist auch im Poetry Slam erfolgreich gewesen. 2015 veröffentlichte er seinen Debütroman „Der einzige Dorfbewohner mit Telefonanschluss“.

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Wertung: 🐧🐧🐧1/2🐧

Titel: Content

ISBN: 978-3-552-07386-9

Content | Elias Hirschl | Hanser (hanser-literaturverlage.de)

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