Der heute besprochene Roman ist frisch in diesem Frühjahr erschienen und schildert uns eine Jugend, die nicht schreiend behauptet, dass die jungen Jahre die besten Lebensjahre sind. Ilona Hartmann schildert in ihrem im Ullstein Verlag erschienenen Roman „Klarkommen“, wie sich drei junge Menschen aus der Provinz in die Großstadt Berlin wagen.
„Unser eigentliches Hobby war das Ausmalen eines Lebens, das hier nicht möglich schien.“
Hartmann, Ilona: Klarkommen, 2024, Ullstein Verlag, S.9.
Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive einer jungen Frau, die vom Bestehen der Abiturprüfung den Weg in das Großstadtleben schildert. Doch das erwartete Abenteuer Großstadtleben, das sich aus all den Erzählungen und popkulturellen Darstellungen bieten soll, erweist sich in der Realität als ganz anders. Die riesige Party ist vorbei, es gibt keine großen Feste der freien Liebe, Drogen sind angsteinflößend statt cool und tatsächlich kann man sich ein ausgiebiges Freizeitleben eigentlich gar nicht leisten. Schnell müssen die Drei erkennen, dass sie nur durch ihren Umzug keine Aura von Coolness erhalten. Stattdessen zeigt der Roman auf, wie sich Unsicherheiten im Leben der Drei breitmachen und dass man die Frage nach dem eigenen Platz im Leben nicht so leicht beantworten kann. Der Roman ist somit kein Loblied auf das Heranwachsendenleben, sondern gibt sich als realistischer Darstellungsentwurf. Über die einzelnen Erlebnisse hinweg steuert der Roman damit auch auf die Reflexion des eigenen Umgangs mit Erwartungen zu. Ilona Hartmann schafft auf diesem Wege ein Buch, in welchem man ohne viel ästhetische Kunstfertigkeit direkt miterleben kann, wie Erwartungen unterlaufen werden. Die drei Protagonist:Innen müssen erkennen, dass der Sprung ins Großstadtleben nicht für jeden die gleiche Entwicklung nimmt und bestehende Freundschaften sich verändern werden. Leon wird im Roman zu einer Person, die selbst auf die Wahrung des Abenteuerscheins setzt; Mounia zieht sich hingegen immer mehr zurück und wird somit über den Text hinweg zu einer distanzierten Figur. Die Ich-Erzählerin weitet unseren Blick, da sie auch Besuche in der alten Heimat schildert. Wir erleben mit ihr, dass es natürlich Unterschiede gibt, aber man die Parallelen des Lebens zwischen Großstadt und Land nicht vergessen sollte.
Der Roman fängt ein Lebensgefühl ein, das sicherlich viele im Alter zwischen 20 und 25 anhand eigener Erlebnisse nachspüren können. In einer episodenartigen Darstellung, die jedoch in ihrem Ablauf aufeinander aufbaut, zeigt sich, wie die Erzählerin immer mehr reflektiert. Die Erzählstimme bleibt die Figur, die uns als Leserschaft nähersteht, da der Roman auch nicht auf Dialoge setzt. Aufgrund der Episodendarstellung ist das Buch durchaus kurzweilig, auch wenn es das Unspektakuläre ausstellt. Ilona Hartmann bezeichnet ihr Buch selbst als langweilig, doch genau dies ist das Buch aufgrund der Thematik nicht. Die Zurschaustellung des Lebens der Protagonist:Innen rührt in ihrer Art an unserer Vorstellung, die Lebendigkeit im Leben durch das Spektakuläre zu erfahren. Mit seiner Art stellt der Roman somit unsere Vorstellung positiver Erlebnisse infrage. Zugleich betont der Roman, dass im Erwachsenwerden auch das Ausprobieren und Scheitern zu finden ist. Die Stilistik der Sprache passt zum geschilderten Lebensgefühl und erzeugt auf diese Weise Authentizität. Allerdings führt die Episodenhaftigkeit des Romans sowie der Verzicht auf große Dialoge dazu, dass man nie tiefer in die Figuren blicken kann. Das Buch ist dadurch ebenfalls eine Präsentation von Oberflächlichkeit, die aber nicht ganz konform mit der Thematisierung des Unspektakulären geht.
Fazit
Ilona Hartmann schildert mit ihrem Roman nachvollziehbare Lebensgefühle von Zwanzigjährigen und ihr gelingt hierfür auch der passende Ton. Gerade das Unterlaufen der Erwartungen ist wunderbar geschildert und zudem mit der nötigen Portion Humor kombiniert. Insgesamt lässt der Roman aus meiner Sicht jedoch Potenzial liegen, weil er eben nicht tiefer hinterfragt, wie die Figuren mit ihren Erkenntnissen umgehen. Es ist ein kurzweiliges Lesevergnügen, das aber die Anregung der Gedankenwelt der Leserschaft noch zielführender zu Ende führen müsste.
Autor:Inneninformation
Ilona Hartmann (1990) arbeitete zunächst in der Werbebranche, ehe sie anschließend als freie Redakteurin tätig und auf Twitter mit pointierten Zeitbeobachtungen Aufmerksamkeit erregte. 2020 erschien ihr Debütroman „Land in Sicht“, der positive Kritik und gute Verkaufszahlen erreichte.
Werbung aus Liebe zum Buch
Wertung: 🐧🐧🐧1/2🐧
Titel: Klarkommen
ISBN: 978-3-9881-6004-1
https://www.ullstein.de/werke/klarkommen/hardcover/9783988160041