Flucht im Wattenmeer –

Knöppler, Florian: Südfall

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Viel zu lange war es wieder ruhig auf meinem Blog. Allerdings wurde fleißig gelesen, sodass noch Besprechungen nachzuholen sind. Bevor ich mit meinem Leseprojekt „Longlist des Deutschen Buchpreises 2023“ fortfahre, möchte ich zunächst noch Werbung für eine schöne Buchhandlung machen und dies mit zwei Besprechungen verbinden.

In diesem Sommer war ich zweimal in Büsum in Urlaub und habe dabei eine wunderbare Buchhandlung in Meldorf kennengelernt. Bevor ich Euch allerdings mit der Buchhandlung Peter Panter in Meldorf diesen schönen Ort für Büchersüchtige wie mich vorstellen, soll es zwei Besprechungen geben. Beide Bücher sind mir bei meinem Besuch in der Buchhandlung empfohlen worden.

Beginnen möchte ich mit dem Roman „Südfall“ von Florian Knöppler, erschienen im Pendragon Verlag. 

Der britische Soldat Dave überlebt als einziger einen Flugzeugabschuss während des Zweiten Weltkrieges. Allerdings strandet er im nordfriesischen Wattenmeer und damit auch inmitten des Feindeslandes. Zunächst versteckt er sich auf dem Anwesen einer älteren Frau, weiß aber um den beschwerlichen Fluchtweg, der vor ihm liegt.

Florian Knöppler nimmt diese tatsächlich geschehene Fluchtgeschichte als Grundlage für einen episodenartig gestalteten Roman. Die Flucht des Soldaten lässt diesen verschiedene Menschen kennenlernen und ist Ausgangspunkt, sich mit deren Leben auseinanderzusetzen. Die Begegnung mit dem Soldaten fungiert hierbei als Triggerpunkt für die Entwicklung der Personen. Wir lernen den Jugendlichen Paul kennen, der nach dem Tod seiner Mutter bei seiner Tante Anna aufwächst. Die beiden Figuren sind inmitten der Wirren des Dritten Reiches in der Auseinandersetzung über das dramatische, politische und gesellschaftliche Geschehen. Anna möchte Paul von diesen Einflüssen fernhalten. Florian Knöppler zeigt in der Figur des heranwachsenden Paul jedoch auch, welche Anziehungskraft besteht und wie sich auch Wünsche nach Gruppenzugehörigkeit entfalten. In Lena scheint er eine Person gefunden zu haben, die versteht, warum er nicht bereit scheint, sich auf den Nationalsozialismus einzulassen. Paul ist bei all seinen Überlegungen kein Getriebener, sondern wird sensibel und nachdenklich geschildert. Die Entdeckung des britischen Soldaten lässt ihn darüber grübeln, ob er dies melden muss. Damit werden auch mögliche bestehende Feindbilder hervorgerufen. Knöppler wählt einen nüchternen Erzählstil passend zur Region des Wattenmeeres, aber auch passend zu einer NS-Zeit, deren Systemstruktur versucht ein Hinterfragen zu vermeiden. Der Handlungsort abseits tobenden Krieges und ohne auftretende NS-Schergen bietet die Möglichkeit, sich in die persönlichen Entwicklungen zu flüchten, ohne dass der geschichtliche Hintergrund im Roman ausgeblendet wird.

Gelungen finde ich, dass nicht ersichtlich wird, ob sich Paul dafür entscheidet, den gestrandeten Soldaten zu melden.

Tante Anna ist in ihrer Entscheidung schon weiter und möchte Dave bei seiner Flucht helfen. In ihr drückt sich der Wunsch aus, Mitmenschen vor Schlimmerem zu bewahren. Sie will Paul schützen, der ihr nach dem Tod ihres Mannes als wichtiges Familienmitglied geblieben ist.

„Der Tod war nicht das Schlimme, das Leiden war es.“

Knöppler, Florian: Südfall, 2023, Pendragon Verlag, S.210.

Knöppler gelingt es, den Soldaten auf eine ausdifferenzierte Figurenkonstellation treffen zu lassen. Cecilie träumt davon, studieren zu dürfen, auch wenn dies für Mädchen in dieser gesellschaftlichen Situation aussichtslos erscheint. Dave kann die Menschen damit beeindrucken, dass als Hauptmotiv seiner Flucht die Liebe zu seiner Frau immer wieder sichtbar wird. Sein Fluchtweg scheint Mut zu verbreiten.

Eine weitere spannende Figur ist der Landwirt Simon. Er weiß nicht, ob er sich auf eine neue Liebe einlassen kann, da er glaubt, an einer tödlichen Krankheit zu leiden. Knöppler gibt seinen Figuren viel Wärme und stellt mit dieser Darstellung die Menschlichkeit in den Fokus der Schilderungen.

Es sind Figurenzeichnungen, die viele mögliche Entwicklungen anreißen, ohne sie zu einem Ende zu führen. Damit ist dieser Roman gleichzeitig eine situative Beobachtung, die verdeutlicht, inwieweit Vergangenes in Entscheidungen und Verhaltensweisen hineinspielt.

Fazit

Für mich liegt in dieser Struktur jedoch auch eine Schwäche des Buches. Ich hätte mir durchaus mehr Handlungsentwicklungen an der ein oder anderen Stelle gewünscht. Es liegt an der Leserschaft, ob sie sich auf diese Episoden einlässt. An mancher Stelle plätschert das Buch aufgrund der Ereignisarmut etwas dahin.

Insgesamt ist es trotzdem ein Roman, der durch seine Gestaltung einen weiteren Blick auf Geschehnisse des Zweiten Weltkrieges wirft. Gelungen bleibt dabei die Wärme der geschilderten Figuren inmitten der nordfriesischen Wattenmeerlandschaft.

Werbung aus Liebe zum Buch

Wertung: 🐧🐧🐧

Florian Knöppler: Südfall

ISBN: 978-3-86532-851-9

https://www.pendragon.de/florian-knoppler/straffers-nacht

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