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Es ist bei einem Leseprojekt, wie meinem Lesen der Longlist des letztjährigen Deutschen Buchpreises natürlich klar, dass man auf unterschiedliche Werke trifft. Meine Idee hinter meinem Leseprojekt war es einen Einblick in die aktuelle Deutschssprachige Gegenwartsliteratur zu erhalten und zugleich ein bisschen Juryluft zu schnuppern und mir eigene Gedanken zu machen. Natürlich ist bei einer Liste von 20 Büchern zu erwarten, dass nicht alle den persönlichen Geschmack treffen. Zudem empfinde ich sicherlich den ein oder anderen Titel als schwächer im Vergleich zur Jury. Heute bespreche ich einen solchen Titel. Es geht um den Roman „Doppler“ von Thomas Oláh, erschienen im Müry Sulzmann Verlag. Der Roman erzählt eine Kindheit im österreichischen Dorf Frankenhayn. Dafür wählt Oláh einen dramatischen Beginn, da wir Zeuge eines Autounfalls werden, den nur der Junge überlebt.
„Auf eine geheimnisvoll verschlungene Weise fühle ich mich schuld an dem Unglück. Die Auflösung liegt zum Greifen nah, dennoch kann ich sie nicht sehen. Wie ein Traum, kurz nach dem Erwachen präsent, aber die eigentliche Handlung nicht mehr rekonstruierbar, entglitten, die Aufregung noch in den Knochen.“
Oláh, Thomas: Doppler, 2023, Müry Sulzmann Verlag, S.9.
Anschließend muss er zu seinen Großeltern ins Dorf. Dort erlebt er auch weitere Familienmitglieder, welche ihm das raue Leben im Dorf näher bringen. Er erlebt eine von Gewalt und Strenge geprägte Erziehung und trifft auf seine Cousins, die durch diese Erziehung zu schroffen Burschen geworden sind. Die Geschichte spielt im ländlichen Österreich der 70er Jahre und verhandelt auch das Stillschweigen über autoritäre Erziehungsmethoden und den Schatten der vergangenen NS-Diktatur. Olás verändert den Erzählstil über den gesamten Text und erhöht die Distanz zum erzählenden heranwachsenden Jungen. Die Struktur des Textes gleicht einem Episodenroman, dessen einzelne Geschehnisse ein Bild des Dorflebens ergeben. Der Roman nutzt jedoch nicht nur die Erlebnisse der jungen Hauptfigur, sondern es gibt Zeitsprünge, in denen verschiedene Ereignisse aus der Dorfgeschichte ebenfalls präsentiert werden. So erleben wir auf diese Weise die Befreiung des Dorfes durch die Rote Armee. Die Verbindung zur Familie wird hergestellt, indem diese Episode ein Familiengeheimnis preis gibt.
„Christian Doppler denkt, wieder einmal, an Suizid. Ins Wasser gehen, untertauchen, einatmen, sich auflösen. Aber es ist Herbst, der See ist kalt, das wird nicht angenehm, nein, er ist fürs Leben geboren, ein Erfolgsmensch, der der Welt etwas zu bieten hat, er kann noch nicht gehen, jedenfalls nicht ins Wasser, nicht heute, er geht jetzt besser – schlafen.“
Oláh, Thomas: Doppler, 2023, Müry Sulzmann Verlag, S.120.
Mich konnte der Roman mit seiner Story nicht überzeugen. Thomas Oláh beweist, wie auch die zitierten Textstellen zeigen, dass er auf hohem poetischen Niveau erzählen kann. Allerdings trägt die sprachliche Qualität nicht den Text. Viel zu oft verwirren mich die Zeitsprünge und auch das Familiengeheimnis hat sich bei mir erst beim wiederholten Lesen offenbart. Die einzelnen Episoden inklusive der Sprünge, lassen bei mir kein verdichtetes Netz entstehen. Der auf dem Klappentext angekündigte Humor des Romans findet ebenfalls nicht den Weg zur mir als Leser. Ich hatte einen ähnlichen Effekt aber auch schon bei anderen Romanen aus Österreich, vielleicht hat dies deshalb auch mit meinem Leserblick zu tun. Mich konnte der Roman auch nicht mit seiner Darstellung des Dorflebens überzeugen, die Episoden wirken für mich zu abgehakt. Das Motiv des titelgebenden „Doppler“ durchzieht den Roman an verschiedenen Stellen, ergibt für mich jedoch kein gelungenes Ganzes.
Fazit
Ich muss nach der Lektüre des Romans tatsächlich sagen, dass ich die Besonderheiten dieses Buches für mich nicht erfassen konnte. Die Story des Romans bietet für mich keinerlei Neuerungen in den Schilderungen einer rauen Dorfkindheit und ich kann zu den Figuren keinerlei Nähe aufbauen, sodass die raue Dorfkultur für mich nicht richtig zu greifen ist. Der Roman hat seine Stärken in den vorhandenen poetisch dichten Passagen, doch dies kann das Buch aus meiner Sicht nicht tragen. Deshalb erhält das Buch von mir keine besonders hohe Bewertung und ich spreche auch keine Empfehlung aus.
Werbung aus Liebe zum Buch
Wertung: 🐧🐧
Thomas Oláh: Doppler
ISBN: 978-3-99014-239-4
https://www.muerysalzmann.com/neuerscheinungen/doppler-beezg
