Im Stalburg Theater in Frankfurt wird der erste Teil der Vernon Subutex-Trilogie auf die Bühne gebracht. Alice von Lindenau und Christoph Maasch spielen eine Figurenvielfalt mit all ihren Facetten und werden gekonnt durch Videos unterstützt.
„Das Leben des Vernon Subutex Vol. I“ als Aufzeichnung aus der Berliner Schaubühne und dies mit Joachim Meyerhoff. Allein diese Ankündigung machte deutlich, warum ich mir das Theaterstück im Fernsehen ansehen wollte. In einer Inszenierung mit musikalischer Begleitung nutzt Thomas Ostermeier die Möglichkeiten des Romans gut aus und lässt die verschiedenen Figuren abwechselnd in den Mittelpunkt rücken. Leider wird auf das verbindende Element wenig eingegangen und doch hat mich das Stück gut unterhalten. Warum ich dies an dieser Stelle kurz schreibe, ganz einfach, weil dieser Eindruck natürlich auch meine nun eigentlich folgende Besprechung beeinflusst.
Denn nicht nur die Schaubühne hat sich dem Roman „Das Leben des Vernon Subutex“ von Virginie Despentes gewidmet, sondern auch ein kleines Theater in Frankfurt. Das Stalburg Theater bringt alle drei Teile der Trilogie auf die Bühne und ich werde mir alle Teile ansehen.
Den ersten Teil konnte ich nun schon ansehen und kann mich den vielen positiven Besprechungen des Feuilletons nur anschließen. Es war mein erster Besuch in der Stalburg und es hat mir richtig gut gefallen.
Katja Lehmann hat aus der Romanvorlage ein Zwei-Personen-Stück gemacht und sich dabei überlegt wie sie unter diesen Bedingungen die vielfältige Charakterwelt abbilden kann. Gekonnt werden Videosequenzen eingesetzt, fungieren als Dialogpartner der Schauspieler und dies auch noch in der richtigen Ästhetik. Ich habe den ersten Teil nun erst gesehen und es ist nicht mehr Iris Reinhardt Hassenzahl, welche den weiblichen Part übernimmt, sondern Alice von Lindenau. Corona hat natürlich auch bei diesem Theater einiges an Plänen durcheinander gebracht. Für den männlichen Part steht Christoph Maasch auf der Bühne, wobei die Geschlechterzugehörigkeit während des Stücks gekonnt ausgespielt wird. Einen Collagenroman, der auch noch seinen Ausgang im medialen Wandel und dem Untergang der Plattenindustrie nimmt, mit Videoinstallationen zu begleiten, schon allein dies ist ein gelungenes künstlerisches Statement. Bei diesen Videos wird Lehmann von Till Casper Juon unterstützt und wenn sich manches Theater fragt inwieweit technische Möglichkeiten gekonnt genutzt werden, der kann hier sehen wie es gemacht wird. Diese Videos sind nicht nur Bühnenbild, sondern quasi der dritte Darsteller.
Die beiden Darsteller spielen sich förmlich die Seele aus dem Leib. Im Wissen, dass sie auch noch den Text für Vol.2 lernen müssen, kann man nur schwer glauben, dass sie sich diese Textmenge so gekonnt behalten. Auf diesen Umstand wies mich dann auch Wolf von Lindenau hin, Vater der Darstellerin und selbst auf Frankfurts Bühnen unterwegs. Durch einen glücklichen Umstand hatte ich ihn als Gesprächspartner während dieser tollen Aufführung.
Figuren werden von Maasch und von Lindenau nur dann überzeichnet, wenn es passend erscheint. Genau wie im Roman geht es nicht darum die Schrägheit der Milieus nach vorne zu rücken, sondern die Übertragbarkeit von Problemen zu betonen. Durch die Verringerung der darstellenden Personen wird dieser Effekt gut verstärkt. Die Auswahl der begleitenden Musikstücke ist passend und im Gegensatz zur Schaubühne wird auch die Frage „Wo ist Subutex“, welche sich durch den zweiten Teil des Romans zieht, thematisiert. Es mag ein Wagnis sein, dass man seinem Publikum Netflix-gleich einen Dreiteiler vorsetzt, doch wenn dieser wie hier konzipiert ist, dann wird das Publikum dies mit Freude annehmen. Christoph Maasch zeigt in der Darstellung der verschiedenen Figuren, wie man Ironie passend einsetzt, zeigt sich locker, aber als Xavier auch als wahrer Kotzbrocken. Alice von Lindenau gibt dem gewaltbereiten Ehemann Patrice seinen Auftritt, den ich mit großer Faszination verfolge. Genau wie ich mir diesen Patrice in einer der stärksten Romanszenen vorgestellt habe, lässt sie ihn sowohl rational, aber auch emotional zweifelnd erscheinen. Es sind solche Momente, die mich gerne ins Theater gehen lassen.
So hat mich das Stück über die gesamte Länge von über zwei Stunden als Zuschauer gehalten und fest davon überzeugt, dass ich die anderen beiden Teile ebenso sehen möchte. Und noch etwas anderes habe ich aus diesem Abend mitgenommen, auf die Stalburg und ihre Produktionen ist in Zukunft zu achten.
Weitere Infos unter: Das Leben des Vernon Subutex Vol. I — Stalburg Theater Frankfurt am Main