#germanbookstagram #instabooks #kulturblog #bücherwurm #buchblogger #büchersucht #kulturblog #culturelove #gegenwartsliteratur #lesenheißterleben #lesenmachtneugierig #deutschsprachigeliteratur #rezensionen #buchtipp #dieinkommensurablen #raphaeleedelbaur #klettcottaverlag #supportyourlocalbookstore #kulturerleben #unabhängigebuchhandlung #herbstbücher #deutscherbuchpreis #dbp23 #longlistlesen #fbm #buchmesse #frankfurterbuchmesse #fbm23 #kulturliebe #kulturtipps #bloggenmachtspaßm #kulturvernetzt #entdeckerfreude #lesetipps #erzaehlwas
Nun bin ich also beim letzten Roman der Longlist des Deutschen Buchpreises 2023 angekommen. 20 Romane habe ich bei diesem Projekt gelesen und beim Lesen einen umfassenden Überblick über die aktuelle Deutschsprachige Gegenwartsliteratur erhalten. Jährlich wiederholen werde ich das Projekt allerdings nicht, zu überlegen ist es, die Shortlist jedes Mal zu lesen, aber auch dies werde ich frühestens 2025 als Projekt wieder angehen. Es hat mir Spaß gemacht, mir diesen Einblick in die Vielfalt zu verschaffen, doch dies gelingt mir auch ohne ein solches Leseprojekt. Es war spannend zu sehen, wie viele Romane sich mit kollektiven Familientraumata auseinandersetzten, aber auch, wie sich historische Ereignisse in Verbindung zu aktuellen Bezügen setzen. Ebenso konnte man neue ästhetische Vorgehensweisen beobachten. Ich bin jedenfalls froh, das Projekt gemacht, aber nun auch abgeschlossen zu haben.
Der letzte zu besprechende Roman ist von einer Autorin, die mich mit ihrem Buch „Dave“ schon begeistern konnte und deren ersten Roman ich ebenfalls in den kommenden Wochen lesen möchte. Raphaela Edelbauer blickt mit ihrem Roman „Die Inkommensurablen“, erschienen bei Suhrkamp, nach Wien kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges.
„Was für eine Täuschung! Nichts war mehr individuell an irgendjemandem. Die letzte Nacht der Menschheit war ein Kollektivgeschehen, und je mehr jeder sich als Einzelner glaubte, desto mehr geriet er zum Arm des Absoluten.“
Edelbauer, Raphaela: Die Inkommensurablen, 2023, Klett-Cotta Verlag, S.149.
Der Roman taumelt zwischen kriegsbegeistertem Militär und den Theorien der Psychoanalyse. Hauptfiguren sind drei junge Menschen. Hans, der von einem Bauernhof in Tirol in die Hauptstadt geflüchtet ist. Dort trifft er auf die Mathematikstudentin Klara und ihrem Freund Adam, Sohn eines ranghohen Militärvertreters. Diese Drei scheint zu verbinden, dass sie sich intensiv mit ihren Träumen auseinandersetzen und einen Hang für psychoanalytische Theorien haben. Sie lernen sich kennen und beginnen als Trio durch ein Wien zu wandern, das voller Patriotismus dem sich abzeichnenden Krieg entgegenblickt und zeitgleich sich auch an vielen Stellen als Sündenpfuhl erweist.
Raphaela Edelbauer zeigt in diesem Roman erneut, warum ich ihren Schreibstil so schätze, sie wandelt stilistisch zwischen junger Figurensprache, reflektierender Theorie und kommentierenden Pointen, dass man das Handwerk dahinter gänzlich vergisst. In ihrer Stilistik scheint sich alles automatisch zusammenzufügen und daraus entwickelt sich ein faszinierender Lesefluss und –sog.
Edelbauer lässt ihre Figuren das homosexuelle Wien erkunden, diese jungen Menschen ihre eigene Identität feiern und zugleich erhöht sie darin die Frauenfigur Klara. Die beiden jungen Männer scheinen ausweglos auf eine Soldatenkarriere zuzulaufen, während Klara sich als kluge Revolutionärin zeigt. Hans ist die unbedarfte Figur, aus seinem Blickwinkel heraus beziehen wir die Faszination für das Erleben dieser pulsierenden Großstadt vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Für mich gleicht dieser Roman mit seinen emotionalen Stimmungen, des Tempos beim Erzählen und den klugen Reflektionen als eine Kamerafahrt hin zum Kriegsausbruch. Die Kriegseuphorie wird von den drei jungen Menschen nicht geteilt. Mit Blick auf das Kommende schleicht sich für diese Drei immer wieder Ernüchterung ein.
„Die Inkommensurabilität halte ich deswegen für ein so geeignetes Beispiel für das Gesamträtsel, weil sie illustriert, wie aus dem Umgang mit dem Anschaulichen – dem Handfesten, wenn man so will – etwas Ungreifbares wird.“
Edelbauer, Raphaela: Die Inkommensurablen, 2023, Klett-Cotta Verlag, S.315.
In der Mathematik bezeichnet man mit „Inkommensurablen“ Zahlen, die kein gemeinsames Maß haben, somit im Vergleich unmessbar sind. Dies passt zum Roman und seinen Geschehen, denn dieser wilde Ritt durch das Wien am Vorkriegsabend präsentiert ungleiche Figuren und Erlebnisse. Ich lese dies alles als einen Gegenpart zum patriotischen Nationalismus, der notwendig für die Kriegsbegeisterung eines Volkes ist. Zugleich erkennt man in den drei jungen Figuren und ihrem Bezug zur Psychoanalyse, dass ein starkes Entgegentreten gegen totalitäre Tendenzen und Kriegswünsche nur erfolgen kann, wenn es gefestigte Strukturen, auch auf charakterlicher Ebene gibt.
Bei all seinem Tempo hätte sich der Roman jedoch mehr Zeit für seine drei Hauptfiguren und ihre Beziehungen lassen können. Ich gehe davon aus, dass auch diese Hektik das Hineinstürzen in den drohenden Krieg betonen soll, aber es schwächt insgesamt den Gesamteindruck dieses Romans.
Fazit
Dieser Gesamteindruck ist aber zusammengefasst positiv und dies liegt am Handwerk der Autorin und ihren unkonventionellen Erzählideen. Ich finde die Gesamtanlage des Romans spannend, sehe Parallelen zu Clemens Setz und doch ist dieses Buch auf andere Art und Weise stark. Edelbauer schafft ein starkes Panorama der österreichischen Hauptstadt und der Stimmungslage vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Sprachlich und stilistisch hält sie alle Fäden stabil in der Hand und schafft einen wunderbaren künstlerischen Roman. Dieses Buch war eines meiner Highlights der Longlist.
Nun widme ich mich in den nächsten Wochen einem neuen Leseprojekt und verknüpfe dies mit einer besonderen Veranstaltung und weiteren Neuerungen, seid also gespannt.
Werbung aus Liebe zum Buch
Wertung: 🐧🐧🐧🐧
Raphaela Edelbauer: Die Inkommensurablen
ISBN: 978-3-608-98647-1
https://www.klett-cotta.de/produkt/raphaela-edelbauer-die-inkommensurablen-9783608986471-t-81