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Es gibt Bücher, die schaffen es schon allein aufgrund ihres Titels meine Aufmerksamkeit zu erregen. Eines dieser Bücher bespreche ich heute auf meinem Blog. Passend zur bevorstehenden Europameisterschaft in Deutschland hat es Thomas Brussig mit seinem Buch „Mats Hummels auf Parship“ erschienen im Wallstein Verlag auf meine Leseliste geschafft. Dieses Buch habe ich tatsächlich ohne mich groß zu informieren gekauft und war dann etwas überrascht, dass es drei Monologe beinhaltet. Thomas Brussig versammelt darin seine Monologe „Leben bis Männer“, „Mats Hummels auf Parship“ und „Schiedsrichter Fertig“. Alle drei Monologe machen den Fußball zu ihrer Grundlage, sind aber vielmehr als eine Reflektion über das Spiel, sondern geben Einblick in Männlichkeit sowie Verhaltensweisen und machen gesellschaftliche Kommentierungen.
„Kein Schiedsrichter kann eine Partie so überragend leiten, dass die Fans darüber noch in dreißig Jahren darüber in Begeisterung geraten. Ein Schiedsrichter kann nicht durch seine Leistungen unsterblich werden. Kein Schiedsrichter kann durch seine Leistungen unsterblich werden. Ein Schiedsrichter kann nur durch seine Fehlentscheidungen unsterblich werden.“
Brussig, Thomas: Mats Hummels auf Parship, 2023, Hanser Verlag, S.127.
Die Ich-Erzähler dieser Bücher sind allesamt vor der Wende im Osten unseres Landes aufgewachsen. Die ersten beiden Texte lassen einen oder zwei namenlose Fußballtrainer sprechen, im dritten Text folgen wir den Gedanken eines Schiedsrichters. Im Vorwort seines Buches erläutert uns Thomas Brussig, dass die Trainerfigur sich im ersten Text als Wendeverlierer inszeniert und sich im zweiten Text zum Wutbürger verändert hat. „Leben bis Männer“ zeigt uns einen Fußballtrainer, noch mit dem Ballsack über die Schulter geworfen, der deutlich macht, dass sich sein Leben um diese faszinierende Sportart dreht. Wir erleben einen Mann, der im Fußball noch eine letzte Männerdomäne sieht, sich deshalb keinesfalls als frauenfeindlich verstanden wissen will, aber eben in dieser Sportart die letzte Insel sieht, in der nach seinem Verständnis noch Recht und Ordnung herrscht. Doch natürlich erkennt dieser Mann auch in seiner geliebten Sportart schon Veränderungen. Die Kommerzialisierung des Spiels drückt sich bis in die unteren Klassen aus. Junge talentierte Fußballer lassen sich früh umwerben, vorbei ist die Zeit als Vereinstreue noch etwas gegolten hat. Thomas Brussig schafft es seiner Figur den passenden Sportplatzsound in den Mund zu legen und uns eine Figur beobachten zu lassen, die mit dem geliebten Spiel immer wieder Erklärungsmuster für das gesamte Leben zu finden glaubt. Es steckt viel Ironie in diesem Text, trotzdem gibt es diese Figuren und eine Beschäftigung mit ihnen ist lehrreich für den Blick auf unsere Gesellschaft. An der ein oder anderen Stelle zaubert einem der Text ein Lächeln auf die Lippen, andere Textstellen lassen einen kurz innehalten, überrascht über eine pointierte und zugleich drastische Feststellung. Vor allem die Verbindung zwischen Richterinnen und Fußballtrainerinnen ist überspitzt und zugleich eine Öffnung des Blickes auf den „bedrohten Mann“ und seine Lebenswirklichkeit.
Der titelgebende Text ist in meinen Augen etwas schwächer, setzt jedoch die Charakterstudie eines sich bedroht fühlenden Mannes fort. Die Texte weisen sexistische und rassistische Ansichten auf, wie man sie sicherlich als Gast auf dem Fußballplatz schon erlebt hat. Erneut lässt Brussig seinen Ich-Erzähler auf die Ereignisse eingehen, die rund um ihn passieren. Er kommentiert Corona, die gesellschaftspolitischen Veränderungen, zeigt mit seinem Unverständnis über manche Entwicklung auch die eigene Überforderung. Brussig gelingt es aktuelle Bezüge in seine Texte einfließen zu lassen und damit zu einem Gegenwartsdiagnostiker zu werden.
Äußerst gelungen empfinde ich den letzten Text dieser Sammlung. „Schiedsrichter Fertig“ widmet sich auf hohem Reflektionsniveau der Rolle des Schiedsrichters im Volkssport und das diese Rolle immer eine undankbare bleiben muss. Schiedsrichter können bei den Zuschauer:Innen und Spielenden niemals aufgrund ihrer guten Leistungen in Erinnerung bleiben. Schiedsrichter sind immer dann Mittelpunkt des Geschehens, wenn sie durch nicht nachvollziehbare Entscheidungen auffallen. Viele vergessen, dass die Schiedsrichter sich immer noch von den unteren Ligen nach oben arbeiten mussten und auf diesem Weg unzählige Erfahrungen gemacht haben. Dazu zählen Diskussionen mit weiteren Akteuren, Beschimpfungen durch Zuschauer:Innen und lästige, weil doch nur auf Kritik aus, Spielbeobachtungen. Diesem Monolog entnehme ich einige interessante Gedankengänge und würde ihn auch zu einer Pflichtlektüre machen. All jene, die bei den Fußballspielen immer den Schiedsrichter als ersten Schwachpunkt ausmachen, können in diesem Monolog sicherlich noch etwas lernen.
Insgesamt muss ich festhalten, dass mich Thomas Brussig mit seinen drei Monologen mehr beeindrucken kann, als ich dies anfangs erwartet hätte. Ich finde, dass ihm etwas gelingt, was in der Auseinandersetzung mit „Wutbürgern“ wichtig ist. Er lässt uns solche Charaktere beobachten, markiert das ein oder andere ironisch, ist aber insgesamt darum bemüht, die Figuren in sich schlüssig agieren zu lassen. Das Lesen seiner Monologe gibt einem die Möglichkeit in diese Gedankengänge einzusteigen und daraus vielleicht auch Schlüsse zu ziehen.
Fazit
Fußball ist Volkssport Nummer eins und nach der Lektüre dieser drei Monologe von Thomas Brussig gibt es daran auch keine Zweifel. Seine Ich-Erzähler wissen darum, dass man mit König Fußball alles erklären kann. Gut beobachtet lässt Brussig Männerstimmen hörbar werden, die alles in sich vereinen, mit was sich der klassische Mann als Fußballfan heute herausgefordert sieht. Mal ironisch, mal mit überraschend logisch wirkenden Metaphern, sind diese Monologe ein Stück Zeitdiagnostik, die man gerne liest und die einem durchaus offenbaren, welche Argumentationsstrukturen in unserer Gesellschaft herrschen und an der ein oder anderen Stelle durchbrochen werden müssen. Für Fußballfans und Literaturliebhaber eine spannende Lektüre.
Autor:Inneninformation
Thomas Brussig (1964) wuchs in der ehemaligen DDR auf, arbeitete zunächst in verschiedenen Jobs, bevor zu studieren anfing und 2000 an der Filmhochschule Potsdam-Babelsberg seinen Abschluss machte. Zu diesem Zeitpunkt war er schon Romanautor, mit dem Roman „Helden wie wir“ hatte er im Jahr 1995 seinen Durchbruch. Ein ebenso großer Erfolg war der Roman „Am kürzeren Ende der Sonnenallee“, welcher erfolgreich von Leander Haußmann verfilmt wurde. Brussig zählt zu den Pop-Literaten in Deutschland.
Werbung aus Liebe zum Buch
Wertung: 🐧🐧🐧1/2🐧
Titel: Mats Hummels auf Parship
ISBN: 978-3-8353-5428-9
https://www.wallstein-verlag.de/9783835354289-mats-hummels-auf-parship.html