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Mit meinem vorletzten Post habe ich Euch aufgezeigt, dass es in diesem Jahr wieder mehr Leseprojekte geben wird. Impulsgeber für diese Projekte werden meine Interessen, aber auch Magazine, die ich regelmäßig lese oder Feuilleton-Debatten sein. Neben Büchern sind verschiedene Magazine meine regelmäßige Lektüre Dazu zählt auch das Philosophie Magazin. Wie in der Vergangenheit startet dieses Magazin mit einem Sonderheft ins Jahr, dass auf diesem Blog noch betrachtet wird. Zunächst hat jedoch der Spiegel mit seiner ersten Ausgabe 2023 mein Interesse geweckt. Mit dem durchaus etwas reißerischen Titel „Hatte Marx doch recht?“ beschäftigt sich die Ausgabe mit möglichen Reformansätzen zum Wirtschaftssystem. Ich lese solche Dinge gerne zum Jahresstart, da innovatives Denken für mich immer ein guter Jahresvorsatz ist. Aus dem Artikel habe ich Lesewünsche abgeleitet und möchte Euch in diese Texte in den nächsten Wochen mitnehmen. Passend zu dieser Thematik gab es bei Deutschlandfunk Kultur ein Feature zum BIP, der alles dominierenden Zahl zur Betrachtung unserer wirtschaftlichen Entwicklung. Erwähnt wurde in diesem Feature das Buch „Die Macht der einen Zahl“ von Philipp Lepenies, erschienen im Suhrkamp Verlag. Mit diesem Buch starte ich also mein zweites Leseprojekt parallel zum Projekt „Letztjähriges Buchmesse-Gastland Spanien“.
Wie entstand der Gedanke des nationalen Volkseinkommens ?
Philipp Lepenies hat das klare Ziel mit seinem Buch nachzuzeichnen, wie es dazu kommen konnte, dass mit dem Bruttoinlandsprodukt eine statistische Zahl zu einer Art Herzschlag für die Beurteilung der Wirtschaftspolitik werden konnte. Es ist der wichtigste Indikator und entscheidet über den Erfolg politischer Projekte. Der historische Abriss beginnt im 17. Jahrhundert, wo es William Petty ist, der mit der Forderung nach einer Statistik auffällt, welche die politischen Handlungen begleitet und damit bewertbar macht. Ihm ging es darum herauszustellen, dass mit Arithmetik Entwicklungslinien aufzuzeigen wären und diese sinnvoll zur Bewertung politischer Entscheidungen wären. Doch diese Forderungen blieben unerfüllt, was jedoch vor allem an mangelnder Datenqualität lag. Lepenies hält fest, mit diesem Ansatz war die Idee des Volkseinkommens im Raum und bei der Bewertung wurde der Wachstumsgedanke implementiert. Durch die historische Betrachtung, die sich mit dem Ökonom Adam Smith fortsetzen lässt, wird deutlich, dass bei den ersten Ansätzen die soziale Frage keine Rolle spielt. In der Folge wird dann das Wachstum als positiver Effekt für die gesamte Wirtschaft gesehen und daraus der Wohlstand der Gesellschaft abgeleitet. Entscheidend für den weiteren Siegeszug der Statistik wurde dann der Brite Collin Clark. Er war Chemiker von Haus aus, aber an Berechnungen besonders interessiert. Zum ersten Mal führte jemand Berechnungen aus, mit denen man glaubte das nationale Volkseinkommen messen zu können. Gleichzeitig beginnen Machtspiele darüber, welche Berechnungsmethoden sich durchsetzen werden. Verschiedene Ökonomen unter anderem John Maynard Keynes mischen in diesem Wissenschaftskampf mit und schlussendlich entsteht in Großbritannien eine Wirtschaftsstatistik des Staates. Doch Lepenies möchte den weltweiten Hintergründen nachspüren und so darf Simon Kuznets nicht fehlen. Der in die USA eingewanderte Russe beschäftigte sich ebenfalls mit empirischer Sozialforschung und erhielt 1932 vom Kongress die Aufgabe, die Berechnung des Volksaufkommens zur Staatsaufgabe zu machen.
Wachstum als Grundprinzip unseres Zusammenlebens
Mit dem Fokus auf die staatliche Berechnung wurde das Volkseinkommen zur wichtigen politischen Kennziffer und für den amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt wurde diese zur Begründung für staatliche Investitionen. Das in den USA entwickelte Konzept des Bruttosozialproduktes half auch bei der Planung von Rüstungsaufgaben und so wurde es auch als einer der Gründe für den Kriegsgewinn genannt. Im Nachgang zu den beiden Weltkriegen etablierte sich die amerikanische Berechnungsmethode und der Siegeszug des Bruttosozialproduktes setzte sich fort. In Deutschland wurde die Steigerung des Volkseinkommens als Staatsziel gesetzlich verankert und es ist heute der Thermometer des wirtschaftlichen Erfolges. Lepenies gelingt es die historischen Hintergründe des Siegeszuges konsequent nachzuzeichnen. Man ist an einigen Stellen von der fast „kriminell“ anmutenden Energie der Wissenschaftler beeindruckt. Zugleich ist man sprachlos wie wenig Kritik sich an den Berechnungsmethoden durchsetzen konnte. Man merkt wie durch diese historischen Entwicklungen die Vorzüge des Bruttosozialproduktes gesellschaftlich zur Anerkennung gebracht und stetiges Wirtschaftswachstum Grundprinzip unseres Zusammenlebens wurde. Gerne hätte man in der geschichtlichen Auseinandersetzung auch von kritischen Tönen gelesen, doch dies ist nicht Zielsetzung des Buches, dass sich bewusst auf den Siegeszug der Berechnung ausrichtet.
Fazit
Es ist spannend den Gründen zu folgen, warum sich unsere Gesellschaft so stark auf das Volkseinkommen und das stetige Wirtschaftswachstum ausgerichtet hat. Mir waren die Entwicklungslinien absolut unbekannt. Ich habe in der Schule nur gelernt, wie es berechnet wird und das uns das Bruttoinlands-, bzw. sozialprodukt dabei hilft unsere Ökonomie zu steuern. Zu erkennen, wie sich diese Gedanken auch wegen des Krieges durchsetzen konnten, bestärkt mich darin, dass man sich Gedanken über die Berechnung machen sollte und auch darüber welche Aspekte eben bewusst nicht beachtet werden. Für mein Leseprojekt war dieses Buch ein guter Einstand und ich kann mich nun mit großem Interesse auf die weiteren Bücher einlassen, die mir der Spiegel Artikel nahe gelegt hat. Dieses Buch empfehle ich allen, die sich für historische Hintergründe und für die Statistiken hinter dem Volkseinkommen interessieren. Ein gut lesbares Sachbuch, dass aber noch den ein oder anderen Blick auf Wachstumskritik vertragen hätte.
Werbung aus Liebe zum Buch
Wertung: 🐧🐧🐧🐧
Philipp Lepenies: Die Macht der einen Zahl
ISBN: 978-3-518-12673-8
https://www.suhrkamp.de/buch/philipp-lepenies-die-macht-der-einen-zahl-t-9783518126738