Fürstenberg, Paula: Weltalltage

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Auf der Leseliste, weil mir dieses Buch mehrfach empfohlen wurde und die Autorin zudem zu einer Lesung nach Darmstadt gekommen ist.

Darum geht’s:

Der Roman „Weltalltage“, erschienen bei Kiepenheuer und Witsch, erzählt die Freundschaftsgeschichte der Erzählerin und Max. Es wird erzählt, wie sich das Verhältnis der beiden in Bezug auf Krankheitserlebnisse entwickelt. 

„Dass man eine Krankheit und ihre Symptome bekommt, als wären sie ein überraschendes Geschenk, gehört zu den vielen sprachlichen Beschönigungen und Vertuschungen, mit denen ihr versucht, eure Krisen in händelbaren Päckchen zu verstauen, damit sie weniger bedrohlich erscheinen. Dabei ist das Gegenteil richtig: Max bekam nichts und verlor viel.“

Fürstenberg, Paula: Weltalltage 2024, Verlag Kiepenheuer und Witsch, S.9.

Bewertung: 

Paula Fürstenberg war zu einer Lesung im Bessunger Buchladen in Darmstadt zugegen und dies hat mir ermöglicht, mit ihr über ihren Roman zu sprechen. Dieses Gespräch lasse ich in meine Rezension einfließen. Im Roman fällt zunächst eine ungewohnte Erzählperspektive auf. Die gesamte Geschichte ist in der Du-Perspektive geschrieben und somit wirkt es, als spreche der Roman durchgehend zu mir als Leser:In und zur eigentlichen Erzählerin. Diese Idee war nicht von Beginn an für Fürstenberg präsent. Doch sie ergab sich als geeignet, um über Krankheit zu schreiben. Die Perspektive sei wie ein Gespräch zum eigenen Körper, und mir ist dies sofort vertraut gewesen. Ich bin seit Kindertagen mit Darmproblemen geplagt, die mich auch im Alltag immer mal wieder beeinflussen und einschränken. Oft versuche ich dann, meinem Körper gut zuzureden und kann diese Idee Fürstenbergs nur bestätigen. Zugleich ist die Perspektive geeignet, um in kommunikativen Krisen der Freundschaft zu überbrücken. Mich hat die Perspektive auf jeden Fall in den Roman hineingezogen.

Die Erzählerin und Max sind langjährige Freunde und teilen lange eine Wohnung. Über einen langen Zeitraum ist es die Erzählerin, die chronische gesundheitliche Probleme plagen, doch dann erlebt Max eine gesundheitliche Krise. Nun kann er die Erzählerin nicht mehr auffangen, es bräuchte einen Rollentausch. Die Idee, diese Geschichte niederzuschreiben, kommt der Erzählerin, als sie Max porträtieren soll. Es bleibt unklar, ob ihr Max wirklich jemals erlaubt hat, alles zu erzählen.

Sprachlich ist dies alles fein verarbeitet, denn Fürstenberg hatte das klare Ziel, eine Sprache zu finden, die Krankheit nicht mit negativer Metaphorik auflädt. Sie wollte die Realität von chronisch Kranken zeigen und dabei keine Topoi wie „Krankheit und Tod“ oder „Krankheit als Herausforderung“ bedienen. Sensibel zeigt sie auf, dass wir Krankheit meist als Schwäche analysieren und damit Menschen, deren täglicher Begleiter eine Krankheit ist, diskreditieren. „Weltalltage“ sind all jene, an denen der Körper der Erzählerin streikt. Krankheit ist in diesem Roman ein Auf und Ab und gibt damit aus meiner Sicht Betroffenen eine Stimme und erreicht damit ein Ziel der Autorin.

Den Roman durchziehen außerdem Listen, die nochmals eine weitere zeitdiagnostische Ebene eröffnen. Wir leben im Zeitalter der Algorithmen und Listen sind deren elementare Grundlage. Bei Krankheitsdiagnosen wird sich ebenfalls Symptomlisten bedient und damit sind sie Ordnungselemente. In Fürstenbergs Roman sind sie vor allem eine Netzstruktur, welche dem Roman erlaubt, drei Themenebenen in diesem komplex gebauten Roman zu verhandeln. Neben Krankheit und Freundschaft ist dies noch ein Betrachten sozialer Unterschiede, bei dem noch ein Ost-West-Blick mitschwingt. Ihr seht, dieser Roman hat es in sich und es hat viel Spaß gemacht, ihn zu lesen und sich bei der Lesung mit der sympathischen Autorin auszuzeichnen.

Mein Lieblingsmoment:

Es ist schwer, einen Moment herauszuarbeiten, besonders stark ist das Buch immer dann, wenn es über Krankheit reflektiert spricht. Es macht mich nachdenklich und emotional, dass mir dieser Roman nochmals zeigt, wie negativ Krankheit in unserer Gesellschaft besetzt ist und man Betroffenen oft Fehlverhalten unterstellt. 

Fazit:

Dieses Buch ist mein bisheriges Jahreshighlight und ich wünsche ihm eine große Leserschaft. Ästhetisch toll gemacht und ein wichtiges Thema schildernd, ist dieses Buch einfach genau das, was ich an tollen Romanen schätze. Sprachlich bärenstark finden sich in diesem Roman so viele Sätze, die ich gerne ausschneiden würde. Leute lest dieses Buch!

Danke an Paula Fürstenberg für das tolle Gespräch und diesen großartigen Roman.

Autor:Inneninformation

Paula Fürstenberg wurde 1987 in Potsdam geboren und lebt mittlerweile in Berlin. Sie studierte am Schweizerischen Literaturinstitut sowie an der Humboldt-Universität. Sie ist Teil des Autor*innenkollektivs »Literatur für das, was passiert«. „Weltalltage“ ist nach „Familie der geflügelten Tiger“ aus 2016 ihr zweiter Roman.

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Wertung: 🐧🐧🐧🐧🐧

Titel: Weltalltage

ISBN: 978-3-462-00336-9

https://www.kiwi-verlag.de/buch/paula-fuerstenberg-weltalltage-9783462003369

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