Gude, Christian: Kommissar Rünz Reihe

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Bei den Darmstädter Krimitagen sind an jedem Leseabend zwei Autor:Innen zu erleben. Ich bin an insgesamt drei Abenden vor Ort und im Blog stelle ich die Autor:Innen und ihre Krimireihen vor. Am ersten Abend dieser Bei meinem ersten Besuch der Darmstädter Krimitage im vergangenen Jahr bin ich mit Christian Gude in Kontakt gekommen. Gude moderierte eine von mir besuchte Veranstaltung und ich legte mir im Nachgang den ersten Band seiner Krimireihe zu. Da ich durch meine Freundin Darmstadt stärker im Fokus habe, möchte ich anlässlich der Darmstädter Krimitage nicht nur den bekannteren Michael Kibler mit seinen Romanen vorstellen, sondern Christian Gude ebenfalls präsentieren.

2007 erschien der erste Band um seinen Ermittler Karl Rünz „Mosquito“ im Gmeiner Verlag. Diesen Verlag werde ich in den kommenden Monaten auch ein bisschen mehr in den Fokus rücken, da er sich für die Verbreitung von Regionalkrimis engagiert.

Mosquito

Bei einer Übung im Darmstädter See Woog findet ein Sporttaucher eine Leiche. Sofort herrscht Aufruhr, zumal die Leiche einen Betonblock auf der Brust hat. Die Anzeichen deuten auf einen schon länger zurückliegenden Mord hin. Kommissar Karl Rünz nimmt die Ermittlungen auf und muss sich dabei immer wieder vor seinem karriereorientierten Chef ob ausstehender Ermittlungserfolge rechtfertigen. Dabei gestalten sich die Ermittlungen in der Vergangenheit alles andere als einfach. Die Hintergründe der Tat verweisen auf die Darmstädter Brandnacht und somit werden militärische Aspekte ebenfalls beleuchtet. Schlussendlich muss Rünz feststellen, dass die dramatischen Ereignisse des Krieges mit persönlichen Schicksalen verknüpft sind.

Karl Rünz ist ein Polizist, der etwas in der Zeit hängen geblieben zu sein scheint. Für ihn gehört die Gleichberechtigung auf den Haufen der miesen Ideen und der persönliche Umgang mit den Kolleg:Innen sollte sich rein auf das berufliche reduzieren. Nur mit seinem Schwager pflegt er den Austausch chauvinistischer Sprüche und teilt die Liebe zu Handfeuerwaffen. Die eigene Frau ist Ballast im Alltag, behindert aber auch nicht die berufliche Tätigkeit. Kurz gesagt, gegenüber diesem Kommissar kann man nur schwerlich sympathische Gefühle entwickeln. Die Ermittlungen in diesem Fall der Vergangenheit erweisen sich als knifflig. Die Leiche scheint im Zusammenhang mit den Angriffen während des Zweiten Weltkrieges auf Darmstadt zu stehen. Dies erschwert Zeugensuchen und erfordert eine detaillierte Recherchearbeit. Christian Gude stellt die historischen Zusammenhänge ausführlich dar, darunter leidet allerdings eine „spannende“ Schilderung der Ermittlungsarbeit. Mir persönlich gefallen diese historischen Hintergründe und auch die Schilderungen der Stadt Darmstadt lassen genügend Lokalkolorit aufkommen. Es erhöht den Lesespaß, wenn man die Handlungsorte wiedererkennt und zugleich eigene Recherchen zu den historischen Hintergründen aufnimmt. Sicherlich sind diese positiven Effekte aber nichts für alle Leser:Innen. Christian Gudes Schreibstil ist flüssig, die Dialoge sind gelungen, nur ab und an drückt sich zu viel Fachsprache in den Text. Zusammengefasst ist „Mosquito“ ein solider Reihenauftakt. Besonderheiten wie den nicht ganz so sympathischen Kommissar und die Einarbeitung historischer Hintergründe muss man als Leser:In akzeptieren und dann bietet dieser Krimi gute Unterhaltung.

Binärcode

Hauptkommissar Karl Rünz wird in seinem zweiten Fall mit einer für ihn neuen Erfahrung konfrontiert, denn er gerät auf einem verlassenen Platz in Darmstadt in einen Hinterhalt. Dabei wird er selbst verletzt und muss zudem noch den Tod einer Kollegin verkraften. Hier zeigt sich beim Kommissar erstmals eine nachvollziehbare Gefühlsregung. Bei dem wohl eigentlichen Opfer des Scharfschützen handelt es sich um einen augenscheinlich verwirrten Sternenbeobachter, der sich auch mit ungewöhnlichen Himmelsereignissen beschäftigte. Mit seinen beginnenden Ermittlungen muss Kommissar Rünz feststellen, dass der Tote durchaus auch in Verbindung zu wissenschaftlichen Einrichtungen stand. Dabei macht Rünz die für ihn überraschende Feststellung, dass in Darmstadt die European Space Agency (ESA) und damit das in Verbindung stehende European Space Operations Centre (ESOC) beheimatet ist. Der Tote war am Bau der Rosetta-Sonde beteiligt und es erhärtet sich der Verdacht, dass sein Tod mit diesem Projekt in Verbindung stehen könnte. Rünz beginnt in die faszinierende Welt der Raumfahrt einzusteigen und erhält tatkräftige Unterstützung vom Leiter der Darmstädter Volkssternwarte.

Bei seinen Ermittlungen deuten sich größere Zusammenhänge an und so bahnen sich weitere staatliche Ermittlungsbehörden ihren Weg. Christian Gude lässt seinen Ermittler jedoch ähnlich wie im ersten Teil der Reihe als Zyniker durch das Buch streifen und sich bei seinen Methoden auch nicht von Hierarchien bremsen. Privat fordert seine Frau besuche bei der Eheberatung ein, doch darauf reagiert Rünz mit dem aus Band Eins bekannten Machoverhalten. Christian Gude bleibt somit seinen Rahmenkonditionen aus dem Vorgänger treu und präsentiert seinen wenig sympathischen Ermittler inmitten eines Krimis mit Lokalkolorit durch expliziten Darmstadt Bezug. Gegenüber dem ersten Band bietet dieser Teil etwas mehr Action. Jedoch ist dieser Teil der Reihe noch mehr von wissenschaftlichen Aspekten durchzogen, als dies im Vorgängerband der Fall war. Bestimmte Passagen lesen sich deshalb etwas schwerer und auch die englischsprachigen Passagen im Roman hemmen den Lesefluss. Gude setzt seine Reihe mit „Binärcode“ konsequent fort, betont die Stärken des Vorgängerromans, driftet aber in diesem Roman an der ein oder anderen Stelle etwas zu weit ab. Trotzdem ist auch dieser Krimi wieder eine spannende und interessante Unterhaltungslektüre.

Homunculus

Der Chef von Kommissar Rünz organisiert die Verabschiedung des Landespolizeipräsidenten und möchte hierfür etwas Herausragendes bieten. Bei einer Veranstaltung vor etwa 500 Leuten im Darmstadtium will er neueste Errungenschaften der Technischen Universität (TU) Darmstadt präsentieren. Dort arbeiten Wissenschaftler:Innen an einer neuen Generation humanoider Roboter. Doch während der Veranstaltung gerät einer der Hightech Roboter außer Kontrolle und verschuldet den Tod eines am Forschungsprojekt beteiligten Professors. Für Kommissar Rünz bedeutet dies einen neuen Fall und dabei die besondere Beobachtung durch den Chef. Zudem muss er versuchen, hinter die Welt der Technologie zu blicken, um Vorgänge korrekt einzuordnen. Für den durchaus technikbegeisterten, aber auch skeptischen Kommissar keine einfache Aufgabe. Zunächst scheinen sich Verdächtige aus dem beruflichen Umfeld anzubieten, denn Konkurrenzkämpfe bei der weiteren Karriere gab es. Ein weiterer Kollege ist mit den moralischen Ansprüchen des Forschungsprojektes nicht einverstanden gewesen und kritisierte die starke Verzahnung mit der Wirtschaft. Mordmotive scheinen somit vorhanden, doch wie konnte man den Roboter zu seiner Tat bringen?

Auch in seinem dritten Fall bleibt Rünz ein übellauniger Zeitgenosse, den man nur mit einem humorvollen Blick ertragen mag. Doch bei diesem Fall fällt dies alles besonders stark auf, denn die Krimihandlung rückt immer wieder in den Hintergrund, zumal sich nie eine richtige Täter:Innenjagd entfaltet. Stattdessen ist der Roman vor allem eine Satire auf den Wissenschaftsbetrieb und die von Rünz‘ Chef eingeführten modernen Strukturen in der Polizeibehörde. Mir hat dieser Teil der Reihe deshalb weniger gefallen, da ich einen Krimi erwartet habe und stattdessen eine Satire lesen durfte. Zudem sind einige der Szenen aus meiner Sicht zu stark mit satirischen Untertönen aufgeladen und dies geht zulasten der Storyline. Die Persiflage der Robotik und deren Entwicklungen, inklusive Darstellung bestimmter Risiken, ist ebenfalls aus meiner Sicht zu überdreht und schwächt damit auch den satirischen Ansatz des Romans. Insgesamt muss ich festhalten, dass mich dieser Teil der Reihe nicht überzeugen konnte und ich zudem befürchte, dass mir der Charakter von Hauptkommissar Rünz über die weiteren Bände langweilig werden könnte, da sich keine spannenden Entwicklungen abzeichnen. Die Stärken der guten Recherche hat dieser Band allerdings ebenso wie seine Vorgänger.

Kontrollverlust

In seinem vierten Fall muss sich Kommissar Rünz wieder einmal mit neuen Ideen seines Chefs auseinandersetzen. Nach zwanzig Jahren in der Mordkommission nimmt zudem die Arbeitsmotivation ab. Viel lieber würde sich Rünz als Autor klischeebeladener Thriller sehen. Der Tod eines Schmieds ruft dann jedoch wieder zur Arbeit. Dieser wurde in einen Schraubstock eingespannt und Rünz hofft, den Fall schnell als Unfall einstufen zu können, doch Rechtsmedizin und Staatsanwaltschaft sind von dieser Theorie nicht zu überzeugen. Somit muss sich Kommissar Rünz dem Fall annehmen und während der Ermittlungen erkennen, dass er dabei immer wieder auf seinen Schwager stört. Ist Rünz nun gezwungen, gegen das von ihm geschätzte Familienmitglied zu ermitteln?

Christian Gude setzt seine Krimireihe satirisch fort und gibt dabei dem Polizeichef und seiner Idee, die Polizei mit einem Unternehmensberater zu optimieren, viel Raum. Gude trifft mit seinen Figuren durchaus bestehende Klischees und reflektiert den Zeitgeist. Allerdings hat dies in diesem Fall nichts mehr mit einem Kriminalroman zu tun. Die sich absurd entwickelnde Handlung ist nur der Hintergrundrahmen für die verschiedenen satirischen Kommentierungen des Autors. Sprachlich ist dies durchaus fein gearbeitet, aber für mich fügt sich in diesem Teil der Reihe nur wenig zusammen. Aus meiner Sicht überdreht Christian Gude an vielen Stellen die Satireeffekte, was dem gesamten Roman Spannung und am Ende auch Qualität nimmt. Die Figur Rünz hat in diesem Teil zudem für mich an Faszination verloren, da noch einmal bereits in Vorgängerbänden aufgezeigte Klischees nur wiederholt werden. Für mich ist dies deshalb der schwächste Teil der Krimireihe.

Kammerspiel

Mit dem fünften und letzten Teil der Kommissar Rünz Reihe lesen wir noch einmal einen Roman, in dem sich Christen Gude wieder Genreregeln entzieht. Rünz ist mittlerweile pensioniert und befindet sich im Scheidungskrieg mit seiner Frau. Beruflich hat er sich neu orientiert und führt nun eine Privatdetektei. Der neue Klient ist Psychologe und macht sich Gedanken um einen Patienten und die Gefahr, die von ihm ausgeht. Es handelt sich um einen Rechtsextremen, der nach einer Herztransplantation vermutet, dass er das Herz einer ausländischen Person oder sogar einer Jüd:In bekommen hat. Rünz soll den verschwundenen Mann aufspüren und möglicherweise Schlimmeres verhindern. 

Erneut präsentiert uns Christian Gude eine absurd anmutende Story, die dieses Mal zudem in einem wahren „Kammerspiel“ daherkommt. Der gesamte Roman ist in Dialogen geschrieben. Rünz und sein Klient spielen in diesen miteinander. Christian Gude gelingt es, über die Dialoge eine Spannung zwischen den beiden Figuren aufzubauen. Ob sich die beiden über die Ehe von Rünz unterhalten und der Psychologe dabei immer tiefer in sein Gegenüber dringt oder seinen Wunsch, Thrillerautor zu werden, offenbart. Gude schildert dies spannend und lustig. Spannend am Fall ist, dass Rünz bei seinem Gegenüber vermutet, dass er selbst schuld an den Vorstellungen des Rechtsextremisten ist. Natürlich kommt Satire ebenfalls nicht zu kurz, jedoch ist diese wieder gut dosiert. Gude gelingt es mit hoher sprachlicher Qualität einem Bühnenstück gleich, sich mit dem Genre und damit verbundenen Motiven auseinanderzusetzen. Ich bin tatsächlich überrascht gewesen, wie gerne ich mich in diesen Text habe hineinziehen lassen und fühlte mich gut unterhalten.

Fazit

Christian Gude hat mit seiner Krimireihe eine Entwicklung vollzogen. In den ersten beiden Bänden stand die eigentliche Krimihandlung durchaus noch im Mittelpunkt und er glänzte mit Recherchen zu den Hintergründen. Der von Klischees dominierte Rünz offenbarte schon zu Beginn satirisches Potenzial, doch in den Folgebänden übersteuerte Gude für mich an zu vielen Stellen und schwächte aus meiner Sicht die Reihe. Zudem verlor die Reihe ihren Charakter als Regionalkrimireihe. Sprachlich ist die Reihe allerdings durchgängig von hoher Qualität, man darf sie durchaus als literarische Krimireihe bezeichnen. Ihren Höhepunkt in ästhetischer Sicht hat sie mit dem letzten Band. Die spannendsten Bände sind Teile eins und zwei.

Autor:Inneninformation

Christian Gude (geb. 1965) ist Geograph und ist im Marketing tätig. Seine Kriminalromane um den nicht immer sympathisch erscheinenden Kommisar Rünz erschienen bis 2012 im Gmeinder Verlag. Handlungsort der Romane ist die Wahlheimat Darmstadt.

Werbung aus Liebe zum Buch

Wertung: 🐧🐧🐧

Kommissar Rünz Reihe

Band 1: Mosquito

Band 2: Binärcode

Band 3: Homunculus

Band 4: Kontrollverlust

Band 5:Kammerspiel

Christian Gude – Gmeiner Verlag (gmeiner-verlag.de)

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