Lewitsch, Lydia: Der Fall Miriam Behrmann

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Lydia Lewitsch hat ihren Roman „Der Fall Miriam Behrmann“, erschienen in der Frankfurter Verlagsanstalt an einem gemeinsamen Lesungsabend mit Jana Scheerer im Hessischen Literaturforum vorgestellt. Die beiden Romanen passen zueinander, da sie beide im universitären Betrieb spielen und sich möglichen Formen von Machtmissbrauch widmen. Lydia Lewitsch schildert in ihrem Roman, wie eine Philosophieprofessorin sich mit dem Vorwurf psychologischen Missbrauchs auseinandersetzen muss.

„Also, Selina unterbricht sich, du musst auch sehen, wie belastet ich bin. Die beiden Tutorien und die Klausuren entwerfen, da ist der Tag dann rum.

Ich schüttelte den Kopf.

Nimm dir die Zeit, Selina.

Gerne, wenn du mir sagst, woher.

Das, bei aller Liebe, musst du selber wissen.“

Lewitsch, Lydia: Der Fall Miriam Behrmann, 2024, Frankfurter Verlagsanstalt, S.169.

Miriam Behrmann wird an einer Universität in Wien mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Ihre Promotionsstudentin Selina gibt an von ihr psychisch missbraucht worden zu sein. Behrmann ist schockiert und muss nun warten, welche Konsequenzen bezüglich ihrer Position und Anstellung folgen werden. Natürlich hat sie die Gelegenheit zu den Vorwürfen Stellung zu beziehen und so erinnert sie sich in diesem Roman an die vierjährige Zusammenarbeit und versucht Situationen zu identifizieren, in denen sie sich kommunikative Fehler geleistet haben könnte. Die Geschichte wird komplett aus der Perspektive von Miriam Behrmann erzählt, was die Geschehnisse natürlich in einem bestimmten Licht erscheinen lässt. Wichtig für das Arbeitsethos von Miriam Behrmann ist, dass sie gemeinsam mit ihrem Mann aus Princeton nach Wien gekommen ist und für ihre Einstellung und Professionalität gelobt wurde. Daraus entwickeln sich Ansprüche auch an das eigene mitarbeitende Personal. Selina kann in der gemeinsamen Zusammenarbeit diese Ansprüche nie erfüllen, wie sich auch in dem obigen Zitat zeigt. Ebenso wichtig um die Figur Miriam Behrmann zu verstehen ist es deren eigenen Weg zu kennen und diese Möglichkeit erhalten wir als Lesende. Somit durchziehen den Text Erinnerungen an die Zusammenarbeit und das Heranwachsen Behrmanns inklusive selbst auferlegtem Leistungsdruck. Doch handelt es sich bei ihrem Umgang mit ihrer Promotionsstudentin wirklich um psychologischen Missbrauch, wann ist die Übertragung des eigenen Anspruchs auf eine andere Position Nötigung?

Lydia Lewitsch widmet sich diesem Thema mit ihrer Romankonstruktion in einer Art und Weise, die an vielen Stellen zum Nachdenken anregt. Sicherlich sind generationenabhängig auch verschiedene Ansprüche zu beachten, doch mittlerweile wissen wir auch alle um den Anstieg psychologischer Erkrankung durch Arbeitsbelastung und wie wichtig die richtige Balance für die persönliche Gesundheit ist. Obwohl nur aus der Sicht von Miriam geschildert, kann man Selina nicht vorwerfen, dass sie ihren Beruf nur als Mittel zum finanziellen Zweck sieht, Engagement zeigt sie in ihrem Leben ebenfalls, also wo liegt hier das Hindernis in der persönlichen Beziehung der beiden Frauen? Lewitsch zeigt auf, wie eine Migrationsgeschichte wie im Fall von Miriam Behrmann lebensprägend sein kann und wie sich daraus ein vielleicht nicht gesunder Arbeitsethos entwickelt hat. Zugleich zeigen sich die möglichen Belastungsaspekte einer universitären Karriere, die ausgehend von zunehmender akademischer Konkurrenz sicherlich nicht niedriger werden.

Lewitsch hat sich bewusst für die Perspektive der Beschuldigten entschieden, wie sie während des Gesprächs zur Lesung mitteilte. Behrmann als eine polnische Migrantin sei für sie zudem wichtig, da sie auf diesem Wege den polnischen Migrantengeschichten eine Stimme verleihen kann. Psychologischer Missbrauch und die erhöhte Belastung durch Arbeit sind spannende und zeitgenössische Themen. Die Universität wird als Handlungsort zu einem Ort in dem der Diskurs über solche Themen in einem wissenschaftlich idealen Kommunikationskanal stattfinden sollte. Doch natürlich benötigen die Universitäten Regeln und so sind es genau diese Grenzen, welche dazu führen, dass der  Diskurs nicht ideal verlaufen kann. Man möchte die gemeinsame Zusammenarbeit in Kategorien bewerten und doch so wird durch die Schilderungen Behrmanns deutlich, steht hinter keiner der Aussagen Absicht und vieles sind kommunikative Missverständnisse und unterschiedliche Ansprüche. Lewitsch schafft es dieses Dilemma zu offenbaren und dies ist eine große Stärke des Romans. Ebenso sprachlich gelungen ist die Darstellung der Perspektive und die darin enthaltene Schilderung von Erinnerungen.

Fazit

Lydia Lewitsch hat einen starken Roman vorgelegt, der sich einem zeitgenössischen Thema widmet. Wie viel Zeit sollte Arbeit im Leben einnehmen, ab wann ist die Balance nicht mehr vorhanden und gesundheitlich schädlich? Gibt es objektive Ansprüche, oder wird es bei diesem Thema immer wieder zur Problemen und zwischenmenschlichen Konflikten kommen? Lydia Lewitsch erzählt dieses komplexe Thema mit einem guten Kniff, der trotz eindimensionaler Perspektive aufzeigt, wie sich Anspruchsdenken entwickeln können. Mich hat dieser Roman positiv überrascht und konnte mich mit seiner Darstellung durchaus gewinnen, wenn ich auch die ein oder andere Rückblende zu lange ausgeführt fand.

Autor:Inneninformation

Lydia Lewitschs „Der Fall Miriam Behrmann“ ist der Debütroman der Autorin und Philosophin, die unter anderem Namen bereits Texte über wissenschaftliche und gesellschaftspolitische Themen herausgegeben hat.

Werbung aus Liebe zum Buch

Wertung: 🐧🐧🐧1/2🐧

Titel: Der Fall Miriam Behrmann

ISBN: 978-3-627-00317-3

https://www.fva.de/Der-Fall-Miriam-Behrmann.html

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