Scheerer, Jana: Die Rassistin

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Jana Scheerer hat ihren Roman „Die Rassistin“, der 2024 bei Schöffling und Co. erschienen ist, im Rahmen einer Lesung beim Hessischen Literaturforum vorgestellt. Es ist wahrlich kein einfaches Thema, das dieser Roman behandelt, und schnell kann man sich mit einer Satire über einen Rassismusvorfall an einer Universität schwieriger Kritik aussetzen. Jana Scheerer weiß jedoch um dieses Risiko und setzt klare Aussagen und einen gut gebauten Roman entgegen.

„Mir erscheint der Roman ziemlich problematisch. Ich habe da Bauschmerzen. Wenn man mit einem Text in einen so sensiblen Diskurs eingreift, wenn man das Risiko eingeht, Menschen vor den Kopf zu stoßen, Menschen zu verunsichern, Menschen zu verletzen – dann stellt sich für mich die Frage: Bringt dieser Text uns überhaupt weiter, ist dieser Text hilfreich? [..]“

Hannah B. 31, Lektorin

Scheerer, Jana: Die Rassistin, 2024, Schöffling und Co., Prolog

In einem Germanistikseminar an einer Universität halten chinesische Gaststudierende ein Referat und werden mit einem Ruf aus dem Plenum auf ihr schlechtes Deutsch hingewiesen. Dozentin Nora Rischer möchte die Situation in ihrer Lehrveranstaltung klären und empfiehlt einen Deutschkurs. Kurz darauf wird aus diesem Geschehen ein vermeintlicher Skandal. Handelt es sich bei der Empfehlung der Dozentin schon um Rassismus? E-Mails werden an der Universität ausgetauscht, Blogeinträge folgen. Doch niemand benennt den Vorgang konkret. Was also soll Rischer machen? Die Debatten ignorieren – sich offensiv gegen einen vermeintlichen Rassismusvorfall verteidigen?

Eingebettet wird dies von Jana Scheerer in einen Prolog, in dem sich auch Menschen aus der Umgebung der Autorin äußern. Scheerer spielt damit, dass sie selbst Erfahrungen im universitären Bereich gesammelt hat, verweigert sich aber autofiktionalen Bezügen und setzt eine Metaebene entgegen. Damit tritt sie offensiv allen möglichen Kritikpunkten entgegen, mit denen bei einer Satire über einen Rassismusvorfall im universitären Diskurs zu rechnen ist. Nichts anderes legt Scheerer nämlich vor. Eine unbedachte Äußerung wird aus ihrem Kontext entfernt und in eine neue Interpretationsebene verschoben. Grotesk ist an diesem Roman, dass Jana Scheerer ihre Protagonistin von den Vorwürfen in einer Kinderwunschpraxis Kenntnis erlangen lässt. In dieser Praxis wird sie dann auch noch eingesperrt. Über die Hälfte des Romans kann sie somit nicht entkommen und diese Situation gleicht ihrer Situation im Umgang mit dem Seminarvorfall. Man stellt sich als Leserschaft schnell die Frage, um was für eine Art Vorfall es sich hier überhaupt handelt? Wer all die Debatten an Universitäten der letzten Jahre zu Diskriminierungen oder kultureller Aneignung verfolgt hat, weiß beim Lesen dieses Romans, dass die Fallebene hoch ist. Handelt es sich wirklich um einen rassistischen Vorfall, wenn der Vortrag ausländischer Studierenden wegen mangelnder Sprachkenntnisse nicht zu verstehen ist und man darauf hinweist? Welche Schlussfolgerungen muss man bezüglich von Notengebungen ziehen? Anklagend tritt in diesem Roman ein „Wir“ auf, dass man nicht auf eine bestimmte Personengruppe einengen kann. Überhaupt ist die Stärke dieses satirischen Romans, dass vieles im Vagen bleibt und man beim Lesen zum Nachdenken angeregt wird, aber keine richtungsweisenden Erkenntnisse vorgegeben bekommt.

Die Romanhandlung vollzieht sich für uns quasi in Echtzeit und markiert alle kommunikativen Risiken. Der universitäre Betrieb fungiert dabei als gesellschaftliches Brennglas und es ist bemerkenswert, dass gerade im wissenschaftlichen Betrieb die kommunikativen Herausforderungen solche Abgründe aufzeigen. Scheerer treibt ihre Satire natürlich dadurch auf die Spitze, dass ihre Protagonistin Sprachwissenschaftlerin ist und trotzdem diesem kommunikativen Dilemma nicht gewachsen ist. Der Roman bleibt zwar insgesamt im Vagen und möchte keine klare Position beziehen, doch eines ist klar: Es kommt nicht darauf an, was man sagt, sondern auch wie. Der Text lebt von seiner Komik und davon, dass man die Geschehnisse zwar ironisch aufnimmt, aber die Ernsthaftigkeit hinter dem geschilderten Diskurs nicht verdeckt.

Fazit

Jana Scheerer widmet sich mit diesem Text einem alles andere als einfachen Thema. Rassismus aufgrund kommunikativer Fehlinterpretationen oder falscher Wortwahl ist ein brandaktuelles Thema. Sprache wird deutlich als Instrument der Macht gezeigt und zugleich offenbart, dass es auch im universitären Bereich nicht sicher ist, dass alle kommunikativen Herausforderungen auf einer sachlichen Ebene zu Ende geführt werden. Die Wahl, dieses Thema satirisch anzugehen, ist sicherlich ein passendes künstlerisches Mittel, um sensible Elemente des Diskurses nicht für Missinterpretationen freizugeben. Für mich geht es allerdings in diesem Roman nicht ganz auf, da an einigen Stellen zu viele satirische Elemente miteinander verknüpft werden.

Autor:Inneninformation

Jana Scheerer (geb. 1978) lebt in Berlin. Sie studierte Germanistik, Anglistik und Medienwissenschaften. Beruflich ist sie als Journalistin und Schriftstellerin tätig. Seit 2005 veröffentlicht sie Romane, „Die Rassistin“ ist ihr fünfter Roman.

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Wertung: 🐧🐧🐧1/2🐧

Titel: Die Rassistin

ISBN: 978-3-89561-353-1

https://www.schoeffling.de/produkt/die-rassistin/

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