Magenau, Jörg: Princeton 66

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In meinen Wochen der Literatur- und Kulturgeschichte möchte ich mich in der heutigen Besprechung der Schriftsteller:Innengruppierung „Gruppe 47“ widmen. Bislang habe ich mich ihr immer nur anhand kleinerer Essays oder erinnernder Zeitungsberichte genähert, doch Jörg Magenau bietet mit seinem Buch „Princeton 66“, erschienen bei Klett-Cotta, nun die Chance einer intensiveren Beschäftigung.

Vor 1966 war die Gruppe bereits zweimal im Ausland zur Tagung gewesen. Princeton und damit die Vereinigten Staaten betonen jedoch nochmals die Bedeutung deutscher Schriftsteller:Innen im Ausland und schlagen auch die Brücke zu Exiljahren vergangener Zeiten. Mit der Gründung der Gruppierung nach dem Zweiten Weltkrieg sollte der gesellschaftspolitische Neuanfang kommentiert und die Bedeutung von Sprache und Literatur für diesen Neuanfang herausgestellt werden. Es entstand ein Dichter:Innentreffen mit ausgearbeitetem Regelsystem, welches nicht für wenige Akteure Auswirkungen auf ihre Karriere hatte. Zusammen kamen Schriftsteller:Innen und Kritiker:Innen, benötigte hierfür allerdings eine persönliche Einladung. Hans-Werner Richter als Leiter der Gruppe lud zum Auslandstreffen ein und insgesamt etwa achtzig folgen dem Ruf. Damit ist die Gruppe bei ihrer Reise alles andere als vollständig. Für DDR-Schriftsteller:Innen muss die Reise schon aufgrund des Kalten Krieges ausfallen; die Gründe anderer Absagen können auch von Magenau nicht final geklärt werden. Mit in den Vereinigten Staaten waren aber unter anderem Günter Grass, Hans Magnus Enzensberger, Walter Jens, Marcel Reich-Ranicki und mit Peter Handke ein junger Autor, der bei diesem Treffen für Aufsehen sorgen sollte. Drei Tage lang sollte in den USA über Literatur gesprochen werden. Jörg Magenau wählt für sein Buch keinen literaturwissenschaftlichen Ansatz, sondern das Buch ist eine journalistische Reportage, welches sich mit seiner Stilistik in den Trend erzählender Sachbücher einreiht. Dafür kann der Autor auf umfangreiches Tonmaterial zurückgreifen. Als Wagnis wird die Reise aufgrund der politischen Hintergründe eingeschätzt, denn die USA befanden sich 1966 im Vietnam-Krieg und so fragt man sich, ob es hierzu kritische Äußerungen geben wird. Doch solche Befürchtungen erwiesen sich als Trugschluss, denn die Gruppe isolierte sich von ihrer Örtlichkeit. Sie interessierten sich nicht für eine parallel stattfindende Tagung, an der Allen Ginsberg und Tom Wolfe teilnahmen. Der Fokus der Gruppe blieb klar auf sich selbst und dies verrät durchaus, dass es sich bei dem elitären Kreis um eine Filterblase handelte. Die Atmosphäre des Treffens kann Magenau mit seiner Stilistik gut transportieren. Es wird deutlich, dass es bei dem mit Regeln durchsetzten Treffen zu zugespitzten Szenen kommen kann. Die Schriftsteller:Innen geben sich durch das Vorlesen ihrer Texte der Kritik frei.

Nur ein Jahr nach diesem Treffen in Princeton wird sich diese Gruppe letztmals zusammenfinden und wer den Vorboten für dieses Ende in der Auslandsreise vermutet, kann dafür sicherlich Anhaltspunkte finden. Jedoch scheint das Ende sich aus mehreren Faktoren zusammenzusetzen und Magenau bringt den ein oder anderen Punkt an. Spannend zu lesen ist auf jeden Fall, welche Machtstrukturen im literarischen Betrieb entstehen und wie das Verhältnis zu den Akteuren der Gruppe 47 ist. Die Bemühungen Siegfried Unselds um eine Suhrkamp-Kultur seien hier zum Beispiel zu nennen. Ebenso interessant ist der Blick auf die SPD-Guppierung innerhalb dieses Netzwerktreffens. Die Schilderungen Magenaus bleiben nie nur auf die drei Tage in Princeton begrenzt, sondern er nimmt diese zum Anlass, um weitergehende Betrachtungen dieses literarischen Netzwerks zu schildern. Damit markiert Magenau allerdings auch eine Schwäche am gewählten Stoff, denn diese drei Tage in den USA bieten zu wenig Material, um daraus allein eine spannende Erzählung zu machen. Bedeutendstes Ereignis bei diesem Treffen ist der Auftritt des jungen Peter Handke. Handke nutzt das Treffen für eine vorbereitete Rede, in welcher er die Ästhetik der Gruppe insgesamt infrage stellt und den Teilnehmer:Innen in ihrer Stilistik „Beschreibungsimpotenz“ vorwirft. Handke provoziert damit bewusst und rückblickend ist in diesem Auftreten sicherlich der Beginn des Eigenmarketings zu sehen. Deutungen, dass mit diesem Auftritt auch durch Handke ein Ende der Gruppierung eingeleitet wird, gehen an dieser Stelle jedoch zu weit. Jörg Magenau gelingt es, solchen Grundthesen zur Gruppe 47 aus dem Weg zu gehen. Dem Autor Magenau geht es darum, diese durchaus schillernden Persönlichkeiten in ihren Zeitkontext zu stellen und die Faszination der Gruppierung zu betonen. Dies gelingt aus meiner Sicht, mit der gewählten Art der Darstellung, die Spotlights auf Akteure wirft und zugleich die Umrahmung der Gruppe nicht verpasst.

Fazit

Jörg Magenau ist ein interessantes Buch gelungen, dem es gelingt, das Faszinierende an den literarischen Netzwerktreffen herauszuarbeiten. Allerdings kann dieses Buch die Versprechen des Klappentextes sowie des Untertitels nicht einlösen. Es handelt sich bei diesen drei Tagen in den USA nicht um das wichtigste Treffen und die Zeit kann man auch nicht unter den Begriff „Abenteuer“ packen. Vielmehr ist das Treffen eine Ausgangslage, um sich der Gruppierung zu näheren, wobei vieles nur oberflächliche Betrachtungen bleiben. Folglich ist das Buch ebenfalls eine gute Einstiegslektüre.

Autor:Inneninformation

Jörg Magenau (1961) studierte Philosophie und Germanistik. 1990 gehörte er zu den Gründern der Wochenzeitung „Freitag“ und war dort, ebenso wie unter anderem bei der taz, als Literaturkritiker tätig. Er ist als freier Kulturjournalist und Sachbuchautor tätig. Er schrieb Monografien über Martin Walser und Christa Wolf. Zu einem Bestseller wurde sein Doppelporträt „Schmidt – Lenz“, wo er den Altkanzler und den Schriftsteller Siegfried Lenz zusammenbrachte.

Werbung aus Liebe zum Buch

Wertung: 🐧🐧🐧1/2🐧

Titel: Princeton 66

ISBN: 978-3-608-94902-5

https://www.klett-cotta.de/produkt/joerg-magenau-princeton-66-9783608949025-t-4247

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