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Mittlerweile bin ich bei Titel Nummer 19 meines Leseprojektes zum Deutschen Buchpreis und somit steht nach dieser nur noch eine weitere Besprechung aus. Schon jetzt kann man festhalten, dass dieses Leseprojekt einen guten Überblick der Deutschsprachigen Gegenwartsliteratur liefert. Man erkennt die Bandbreite aber auch Gemeinsamkeiten und vor allem kann man konstatieren, dass diese Auswahl alles war, nur eines nicht, nämlich unpolitisch. Ein gutes Beispiel liefert hierfür Sherko Fatah mit seinem Roman „Der große Wunsch“ erschienen im Luchterhand Verlag.
Fatah berichtet von einem Vater auf der Suche nach seiner Tochter, die sich vermutlich dem radikalen IS angeschlossen hat.
„Insgeheim wollte ich dein Retter sein, aber möglicherweise willst du gar nicht gerettet werden .“
Fatah, Sherko: Der große Wunsch, 2023, Luchterhand Verlag, S.103.
Sherko Fatah gelingt es dieses für uns alle so schwer zu fassende Ereignis in Worte und eine Erzählung zu packen. Die Tochter ist in einer behüteten und liberalen Umgebung aufgewachsen. Durch die Trennung der Eltern ist es sicherlich schwerer geworden die Kontrolle zu behalten und doch kann man nicht verstehen, warum sich eine junge Frau einer solch rückständigen Ideologie anschließt. Der Vater versteht diese Entwicklung nicht, er hinterfragt die eigene Erziehung, weiß nicht genau wie er mit dem Geschehenen umgehen soll. Der titelgebende „große Wunsch“ ist es die Tochter wieder zurückzubekommen. Deshalb reist er nach Syrien und versucht mit Kontakten vor Ort die Rettung zu organisieren. Der größte Teil des Romans besteht aus dem Versuch Informationen zu bekommen und darauf zu warten diese zu erhalten. Somit ist dieser Roman unaufgeregt, obwohl das Thema tragisch ist. Der Vater wirkt wie ein zu bemitleidender Held, der wenig selbst aktiv einbringen kann. Seine Ex-Frau ist vernünftiger, ordnet alles realistisch ein und weiß darum, dass die ganze Reise ihres Ex ein Glücksspiel ist. Spannend ist wie sich zeigt, dass dem Vater die eigene Herkunft fremd geworden ist. Der Roman entfaltet wie westlich geprägt sein Verhalten ist. Die Auseinandersetzungen mit dem Mann in seiner Unterkunft offenbaren dies und haben trotz der Ernsthaftigkeit humorvolle Elemente. Zudem bieten diese Gespräche die Möglichkeit über den IS seine dominante Rolle und Ideologie nachzudenken. Der Roman bezieht seine Lesespannung aus der Ungewissheit darüber, ob es gelingen kann, dass die Tochter zurückgebracht wird.
„Denn die Wahrnehmung des Vertrauten wird in der Fremde immer gröber; die vielen Unterscheidungen von zu Hause verblassen. Nicht die Familie, nicht die politische Gesinnung, nicht einmal die exakte religiöse Zugehörigkeit haben noch Bedeutung, all die Verschiedenheiten, die in der Heimat für zum Teil hitzige Diskussionen, manchmal sogar zu Mord und Totschlag führten, lösten sich dort auf, und eine Hinterhofmoschee voller <<Landsleute>> aus aller Herren Länder wird zur Ersatzheimat.“
Fatah, Sherko: Der große Wunsch, 2023, Luchterhand Verlag, S.41.
Dieses Zitat ist die bestmögliche Zusammenfassung der Reflektionen über den IS innerhalb des Romans. Die Annäherung an die Tochter wird mit jeder Information vorangebracht. Dabei wird nie verraten, ob es sich wirklich um die Verschwundene handelt und doch verstärkt sich die Hoffnung. Die Tochter hat sich wohl mit einem jungen Mann eingelassen und lebt nun inmitten des IS, wobei auch bei ihr Zweifel beginnen zu wachsen. Der Roman hinterfragt unser aller Verständnis von Zugehörigkeit und macht dies vor allem am Leben des Vaters fest, wobei dieser sich nie für eine starre Ideologie entschieden hat. Mir gibt der Roman über diese Ebene durchaus Impulse und zieht seinen Gegenwartsbezug aus der Aktualität von Fragen nach gemeinsamer Identität. Nicht ganz nachvollziehen kann ich den Nebenstrang über den Geschäftspartner des Vaters. Diesen Teil der Erzählung hätte es für den gesamten Roman und sein Fortkommen nicht gebraucht.
Fazit
Dieser Roman verortet das wichtige Thema kultureller gemeinschaftlicher Identitäten auf eine ganz andere Art und Weise in der Literatur. Man kann sich die Situation des Vaters nur sehr schwer vorstellen und lernt, wie eine Ideologie sich in Menschen verankern kann. Sherko Fatah erzählt dies mit einer angenehmen Unaufgeregtheit, aber für mich hätte der Roman gerne mehr Schwung vertragen können. So dümpelt die Erzählung durchaus dahin und man muss sich mit den Dialogen des Vaters und seinem Vermieter gezielt auseinandersetzen, damit man die entscheidende Facette des Romans erfasst. Trotzdem ist das Buch ein würdiger Vertreter der Longlist, zumal ich mich diesem Thema noch nie auf diesem erzählerischen Wege angenähert habe.
Werbung aus Liebe zum Buch
Wertung: 🐧🐧🐧
Sherko Fatah: Der große Wunsch
ISBN: 978-3-630-87737-2
https://www.penguin.de/Buch/Der-grosse-Wunsch/Sherko-Fatah/Luchterhand-Literaturverlag/e612718.rhd