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Auf den Roman, den ich am heutigen Tag vorstelle, bin ich schon während der Leipziger Buchmesse aufmerksam geworden und habe ihn auf meine Leseliste gesetzt. Umso mehr hat es mich gefreut, dass Teresa Präauer mit ihrem Roman „Kochen im falschen Jahrhundert“, erschienen im Wallstein Verlag, es auf die Longlist des Deutschen Buchpreises geschafft hat. Dieser Roman ist nämlich eine wunderbare Gesellschaftssatire, und dies gelingt der Autorin innerhalb einer begrenzten Szenerie. Wir werden als Leserschaft in diesem Roman Zeuge eines Abendessens. Das gastgebende Paar empfängt ein befreundetes verheiratetes Pärchen und einen weiteren Freund. Gleich dreimal nimmt die Erzählung dabei neuen Anlauf und erzählt uns verschiedene Variationen der ein und selben Ausgangssituation. Ziel des Abends ist ein gemütliches Abendessen. Wir werden Beobachtende eines Abendessens, in dem es um Manieren, aber auch die Diskussion um gesellschaftliche Themen geht. Der Roman spielt dabei gänzlich nur in der Wohnung des gastgebenden Paares und beschreibt das Abendessen.
„Der Ehemann hatte in der Aufregung auch Diskurs statt Diskussion gesagt. Aber wer wollte an einem Abend wie diesem mit dem Narrativ, gemeint war die Narration, allzu streng sein? Das war nicht die Aufgabe der Gastgeberin.“
Präauer, Teresa: Kochen im falschen Jahrhundert, 2023, Wallstein Verlag, S.59.
Teresa Präauer ist mit diesem Roman aus meiner Sicht etwas ganz Besonderes gelungen. Ihr Setting erinnert mich dabei ein wenig an „Der Gott des Gemetzels“ von Yasmina Reza, denn auch in diesem Theaterstück gelang wunderbare Gesellschaftsanalyse auf engem Raum mit begrenztem Figurenarsenal. Das gastgebende Paar und seine Gäste gehören allesamt einer gut verdienenden Gesellschaftsschicht an, die sich in einer Selbstbeschreibung sicherlich als offen, modern und tolerant beschreiben würde. Der Verlauf des Abendessens entlarvt sie dann allesamt jedoch als oberflächlich. Das Essen ist der Rahmen für die verschiedenen Gesprächsthemen. Die Gerichte werden funktional und ohne zu viel Aufwand gewählt und soll doch gleichsam dem Anspruch eines modernen Pärchens in einer globalen Welt entsprechen, dabei wird zudem ordentlich Alkohol konsumiert. Es geht um Verspätungen, in jeder Variante ist hierfür jemand anderes verantwortlich. Zugleich zeigt die Entwicklung des Abends, wie die Erwartungen der Gastgeberin unterlaufen werden können. Egal, wie intensiv der Abend vorbereitet wurde, am Ende ist der Verlauf eines Abendessens nicht planbar. Die Themen sind vielfältig, es geht um die Entwicklung des Fernsehens, Reisen, Möbel, die Elternschaft oder Schlafmangel. Alle Gäste kommentieren diese Themen und versuchen, bestimmten Rollen gerecht zu werden, doch gekonnt werden ihre Aussagen mit einem ironischen und entlarvenden Unterton versehen. Schnell hat man Bilder dieses Abendessens im Kopf und ich musste an einigen Textstellen lachen.
„Essen war ab da auch das, ja, Geschmack, Wissen, Erfahrung, Abgrenzung, Distinktion. Oder war es das immer schon gewesen, nur eben wenig bewusster?“
Präauer, Teresa: Kochen im falschen Jahrhundert, 2023, Wallstein Verlag, S.76.
Die Freundlichkeit der Personen zueinander ist dabei offensichtlich ebenfalls nur eine schauspielerische Leistung. Dies wird vor allem an der Gastgeberin deutlich, die sich innerlich ständig kritisch mit dem Verhalten ihrer Gäste auseinandersetzt. Als Leser:In bleibt eine Distanz zu den namenlosen Figuren, die damit repräsentativ für bestimmte gesellschaftliche Gruppen werden. Präauer nutzt sprachspielerische Elemente, um dem im Roman lauernden Zynismus seinen Raum zu geben. Der Roman ist sprachlich auf hohem und dichtem Niveau und bietet einen wunderbaren Blick auf unsere Gegenwart. Indem die Figuren Erwartungen unterlaufen und zugleich Manieren zur Romanhandlung werden, betont das Buch auch, inwieweit bestimmte Erwartungen nicht mehr zeitgemäß sind.
Fazit
Dieser Roman von Teresa Präauer hat mich beim Lesen begeistert. Ich musste an vielen Stellen lachen und zugleich finde ich das Buch äußerst fein gestaltet und konstruiert. Das Abendessen unter Freunden ist eine gesellschaftliche Milieustudie, die mit einer poetischen Fabulierlust daherkommt und die Bedeutung des gemeinsamen Essens für soziales Zusammenleben herausstellt. Zugleich entlarven die Regularien dieses Abendessens die unehrliche Situation, die sich in einem geselligen Zusammenkommen ergeben kann. Jeder versucht bestimmten Erwartungen gerecht zu werden und muss diese doch auch immer wieder unterlaufen. Diese Verfehlungen werden allerdings nur selten thematisiert. Es ist wunderbar, diesem Spiel in diesem Roman zu folgen.
Werbung aus Liebe zum Buch
Wertung: 🐧🐧🐧🐧
Teresa Präauer: Kochen im falschen Jahrhundert
ISBN: 978-3-8353-5429-6
https://www.wallstein-verlag.de/9783835354296-kochen-im-falschen-jahrhundert.html
