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Die erste Veranstaltung, welche ich beim Frankfurter Literaturfestival Literaturm besucht habe, war ein Abend zur Wut der erschöpften Frauen. Corona hat uns gerade erst aufgezeigt, dass es vor allem Frauen sind, welche die Verantwortung für Haushalt, Kindererziehung oder Pflege tragen. Dies markiert einen Riss in der Betrachtung familiärer Verantwortung zwischen den beiden Geschlechtern und fügt sich somit in das Thema des diesjährigen Frankfurter Literaturfestivals ein. Risse sind in unserer Gesellschaft durch die vermehrten Krisen und die stetig voranschreitende gesellschaftliche Dynamik immer sichtbarer geworden. Sie werden immer dann sichtbar, wenn Anpassungsprozesse oder Erneuerung in die bestehenden Strukturen eingreifen und nicht alle gleich mitnehmen können. Der Riss, der sich in den Geschlechterrollen aufzeigt, wird durch Frauen schon länger gesehen und angeprangert. Je mehr der gesellschaftliche Druck für Veränderungen sorgt wird deutlich, dass dies auch zu Problemen mit dem männlichen Teil der Gesellschaft führt. Moderiert wurde der Abend in den Räumlichkeiten von Morgan, Lewis & Bockius LLP von Meredith Haaf Redakteurin der Süddeutschen Zeitung.
In ihrer Einleitung macht sie deutlich, dass sie an beiden Büchern schätzt, dass Kritik an Gesellschaft mit Gefühlswelt verbunden und dadurch vor allem die emotionale Ausbeutung hervorgehoben wird. Franziska Schutzbach liefert quasi den theoretischen Nährboden für den Roman von Mareike Fallwickl. Sie schildert die Mikrozuständigkeiten, in welche Frauen in unserer Gesellschaft hineingeboren werden. Der familiäre Kosmos ist davon geprägt, dass Frauen stetig permanente Aufmerksamkeit leisten und sich um die Bedürfnisse anderer Personen kümmern müssen. Dies wird ihnen allerdings nicht gedankt und die Wertschätzung fehlt. Alles wird als Selbstverständlichkeit hingenommen. Die geleistete Care-Arbeit wird auch nicht ökonomisch erfasst. Betrachtet man den Arbeitsmarkt erkennt man, dass in Berufen, die ebenfalls der Care-Arbeit zuzuordnen sind Gehaltsprobleme bestehen. Dies verdeutlicht, dass Care-Arbeit in unserer Gesellschaft von geringer Bedeutung ist. Entscheidender ist jedoch, dass der Großteil der Care-Arbeit ökonomisch nicht erfasst wird. Dies ignoriert den hohen Grad unbezahlter Arbeit und die wichtige Trägerschaft für die Ökonomie, denn schließlich halten sie damit allen Personen den Rücken frei, welche währenddessen bezahlte Arbeit leisten.
Genau diesen Aspekt finden wir im Roman von Mareike Fallwickl. Sie nimmt die Erwartungshaltung an Frauen als Ausgangspunkt für einen Roman, der mit stetigen Perspektivwechseln arbeitet und dabei ästhetisch gekonnt Rollen austauscht. Die Wut wird zum Treiber der Figuren des Romans und führt gleichzeitig die Figuren zur Erschöpfung. Permanente notwendige Aufmerksamkeit in der familiären Care-Arbeit, aber auch in der sexuellen Beziehung werden behandelt. In all ihren Schilderungen betont Fallwickl die Körperlichkeit und drückt diese in Gewaltschilderungen aus. Damit hat mich der Roman immens beeindruckt und auch an diesem Abend besticht die Autorin durch Klarheit. Für mich bringt sie sogar die treffendste Schilderung, um die Unterschiede im Verhältnis zwischen Männern und Frauen in der Care-Arbeit aufzuzeigen. Frauen übernehmen familiär Aufgaben, wie die Zubereitung von Essen. Männer sind vielleicht für den Austausch einer Glühbirne verantwortlich. Wer dies als normale Arbeitsteilung betrachtet verkennt jedoch, dass die erledigte Arbeit von Frauen stetig und unmittelbar erfolgen muss, während die Glühbirne warten kann. Deutlicher kann man die Erwartungshaltung der stetigen Verfügbarkeit an einem Beispiel nicht machen.
Haaf lässt ihren beiden Gästen den nötigen Raum und die Beiden können sich die Argumente gekonnt hin und her spielen. Es wird deutlich, dass sich die Bücher wunderbar ergänzen. Für mich als männlicher Zuhörer ist dieser Abend sicherlich nochmals eine eindringlicher Erfahrung. In den gelesenen Auszügen zeigt sich bei Fallwickl, wie anschaulich der Roman gestaltet ist und mit welcher Wucht er seiner Leserschaft die Situation vor Augen führt. Der Abend regt zum Nachdenken an und hat mir noch Impulse gegeben. Ein gelungener Abend, der positive Werbung für die beiden Bücher machte.
Rezensionen zu den beiden Büchern finden sich unter: