Theaterkritik: Angst – Theater Bonn. Inszenierung von Volker Lösch

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Wichtigster Termin meines Aufenthaltes in Bonn war der Besuch des Theaters, denn ich wollte unbedingt einmal eine Inszenierung von Volker Lösch sehen. Gespielt wurde Angst am Theater Bonn. Für sein neuestes Projekt verarbeitet Lösch Angst als Thema in der Bevölkerung. Lösch wählt einen parallelistischen Ansatz und setzt heutige Aussagen in Bezug zu welchen aus den Hexenprozessen des 17. Jahrhunderts. Die Textarbeit wurde von Lothar Kittstein und Ulf Schmidt geleistet. Schnell wird an diesem Theaterabend klar, dass man auch als Zuschauer*In herausgefordert wird, sich mit den eigenen Angsttrieben auseinanderzusetzen. Grundsätzlich ist Angst als Gefühl in Deutschland schon immer ein Thema gewesen und ich stimme durchaus zu, dass unsere Gesellschaft sich von Angst viel zu oft lähmen lässt. In Zeiten, in denen wir stetig mit Krisen konfrontiert werden, ist das Thema Angst auch stärker greifbar. Gleichzeitig ist Angst ein diffuses Gefühl, nicht immer direkt wahrzunehmen und mit seinen Ursachen zu identifizieren und etwas, worüber man ungern spricht. All dies schießt mir als Gedanken schon zu Beginn der Aufführung in den Kopf. Statements Bonner Bürger*Innen aus der Gegenwart werden zu Beginn von den acht Schauspieler*Innen vorgetragen, durchbrochen werden diese Sätze von im Choral gesprochenen Zitaten aus der Zeit der Hexenverfolgung. Natürlich erkennt man sprachlich den Unterschied, aber die Stoßrichtungen der Ängste sind durchaus ähnlich. Genau darum wird es an diesem Abend gehen. Die Inszenierung zeigt, dass gesellschaftliche Ängste und daraus entstehende Reaktionen wiederkehren.

Die Darsteller*Innen (Markus J. Bachmann, Sophie Basse, Linda Belinda Podszus, David Hugo Schmitz, Lydia Stäubli, Lena Geyer, Daniel Stock und Sandrine Zenner) leisten im Gesamten eine tolle Leistung, treffen den passenden Ton für die vorgetragenen Zitatsammlungen. Gespielt wird auf einer großen Drehscheibe, die sich während des Stückes in ihrem Winkel ändert und für mich auch die Funktion einer Spiegelscheibe hat. Ich empfinde diese Bühnengestaltung als passend, da das Präsentierte durchaus auch als Spiegelbild auf mich wirkt. Ich werde natürlich auch heute in den Sozialen Medien oder bei Stammtischgesprächen mit ähnlichen Zitaten konfrontiert. Die Frage bleibt im Raum, wie man auf diese Aussagen und die darin geschilderten Ängste reagiert. Das Stück zeigt auf, dass diese Ängste, wenn keinerlei Lösungen präsentiert werden, in Hass umschlagen können. Zudem zeigt es, wie dies durch politisch rechtsstehende Akteure verwendet wird und diese den Hass auf schwächere gesellschaftliche Gruppen umlenken kann. Die Schauspieler*Innen wechseln spielend leicht zwischen den unterschiedlichen Zeitebenen ihrer Zitate, spielen Nähe und Distanz untereinander und lassen durchaus auch die Tragik der historischen Hexenprozesse erkennen. Lösch setzt seine Parallele auch dafür ein, deutlich zu machen, dass die Herrscher die Angst der Bevölkerung, mit der Hexenverfolgung bekämpfen wollten. Folgt man dieser Analogie, so muss man konstatieren, dass es auch die Schuldigkeit der Machthaber*Innen ist, wenn die Ängste in Gesellschaftsspaltung umschlagen. Der im Stück gespielte Hexenprozess mit dem kurkölnischen Justizkommissar Franz Buirmann spielt in der Darstellung zwar mit dem Absurden und wird nicht zu einem konsequenten Ende geführt, aber genau dies möchte das Stück auch nur. Es soll uns kein Ende präsentiert werden, sondern wir werden dafür sensibilisiert, dass in solchen gesellschaftlichen Situationen Gefahren lauern. Mich hat dieses Stück mit seiner Machart in seinen Bann gezogen und mir ein bedrückendes Gefühl verabreicht.

Burg Bad Godesberg

Dieses Stück beschäftigt mich tatsächlich immer noch. Man kennt die präsentierten Zitate und es erschreckt einen dann doch, wenn sich Ängste mit denen der Vergangenheit ähneln und diese Ängste zu schlimmen Ereignissen führten. Im  Begleittext zum Stück macht Volker Lösch deutlich, dass man die zunehmende Zukunftsangst in unserer Gesellschaft spüren kann und das bisher nichts gegen diese Verlustängste unternommen wurde. Vielmehr haben auch die letzten Krisen die gesellschaftlichen Unterschiede manifestiert und vergrößert. Schuldige für diesen Zustand werden schnell gefunden, oder auch durch bestimmte Akteure präsentiert. So wird aus Angst Hass und der Glaube festigt sich, dass man die Schuldigen gefunden hat. Es ist natürlich einfacher, dass sich die Schuldigen unter Schwächeren in unserer Gesellschaft befinden, statt Systemfragen zu stellen oder zu hinterfragen, warum gegen bestimmte gesellschaftliche Missstände seit Jahren nichts unternommen wurde. Eine Lösung präsentiert das Stück nicht, aber will es wie gesagt auch nicht. Mir hat der Abend vor allem wegen seiner Nachwirkung auf mich gefallen und wegen der tollen schauspielerischen Teamleistung und dem minimalen, aber äußerst passendem Bühnenbild.

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Wertung: 🐧🐧🐧🐧

Wer Lust auf das Stück hat, findet unter folgendem Link weitere Informationen:

https://www.theater-bonn.de/de/programm/angst/198216?msclkid=f933c6fcc59511ec802186c697c3c1e4

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