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„Wir wissen, wir könnten und fallen synchron“ von Yade Yasemin Önder erschienen bei Kiepenheuer und Witsch, erzählt uns die Geschichte einer jungen Frau, Tochter von binationalen Eltern, aus den Neunzigern. Nach dem Tod des Vaters entsteht eine schwierige Beziehung zu ihrer Mutter, die für die Protagonistin eine Essstörung mit sich bringt. Der Roman fragt nach Herkunft, Heimat, Selbstbestimmung und thematisiert dabei auch eine gesellschaftliche Kultur, in der auch Fremdenhass eine Rolle spielt.
Dies ist der dritte Roman, der für den Debütpreis der Lit.Cologne nominiert war. Betrachtet man alle drei Bücher, so zeigt sich, dass die Bücher alle Kinder und Jugendliche zu ihren Protagonisten wählen, aber einen differenzierten Zugang in ihrer literarischen Machart wählen. Hier ist der Debütpreis für mich ein guter Indikator für die spannende deutschsprachige Gegenwartsliteratur.
„An einem Tag ein Jahr nach Tschernobyl wurde ich auf einer Wiese geboren.“
Önder, Yade Yasemin: Wir wissen, wir könnten und fallen synchron, 2022, Kiepenheuer und Witsch Verlag S.5.
Dieses Buch ist eine Herausforderung für seine Leserschaft, da es verschiedene Spielmöglichkeiten von Literatur ausstellt. Zunächst ist hier die Erzählerin des Romans zu nennen, die sich schnell als eine Meisterin des Spiels mit unzuverlässigem Erzählen. Dies beginnt schon mit der Schilderung der Geburt und einem Aufwachsen auf einer Wiese, auf welcher der Vater dann ein Haus baut. Yade Yasemin Önder zeigt eine Kunst im Fabulieren, spielt mit metaphorischen Anspielungen und Symbolen, welche Möglichkeiten zur Einordnung des Lebens der Protagonistin anbieten. Dies alles wird in Erinnerungen, Gedankenströmen und kurzen Erlebnisschilderungen präsentiert, bei denen man aber immer wieder am Erzählten zweifeln muss. Man muss sich als Leser*In auf diese Art Text einlassen, ansonsten wird man an dieser Lektüre keinen Spaß haben. Ich habe durchaus auch einen Moment benötigt, um diesen Text zu greifen und mich auf ihn einzulassen. Sprachlich hat dieser Text an einigen Stellen eine Dichte, die lyrisches Momentum aufzeigt, dann wiederum ist der Text von einer herzlichen Ironie, nur um dann auch Momente des Absurden und Ekels aufzuzeigen. Önders Roman stellt auch aus, dass er sich keine Grenzen setzen muss, sondern assoziiert munter. Wir nehmen die Protagnistin in ihrem Kampf um das Finden einer Rolle wahr, erleben wie sie ihren Körper wahrnimmt, beobachten die Veränderung des familiären Umfeldes und werden mit Rassismus konfrontiert. Sehr eindrucksvoll zeigt sich bei diesem Roman an der Thematik des Essens, wie darin eine Befriedigung und gleichzeitig eine Belastung liegen kann und dies weist im Roman auf weitere thematische Aspekte hinaus. Sehr bedrückend geschildert wird das Verhältnis zur Mutter, die ihrer Tochter durchaus eine Mitschuld am Tod des Vaters gibt und damit sicherlich auch gewissen Ängsten der Tochter Auftrieb leistet. Bei all diesem Reichtum an Themen und den metaphorischen Spielen entsteht eine experimentelle Struktur, die das Lesen anstrengt und sicherlich auch nicht jeden abholen wird.
Dieser Roman ist sicherlich ein sprachliches Ereignis, in seiner experimentellen Komposition ragt er in diesem Frühjahr sicherlich ebenfalls heraus. Allerdings ist diese Struktur nicht durchgehend nur angenehm für mich als Leser*In gewesen und der Roman überdreht aus meiner Sicht auch an gewissen Stellen. Ich muss ehrlich sagen, dass die Live-Lesung während der Lit.Cologne mir nochmals einen anderen Eindruck verschafft hat. Die Dichte des Textes ist beim Hören offensichtlicher wie beim Lesen gewesen. Somit ist dieser Roman sicherlich ein Frühjahresereignis, aber aufgrund seiner Struktur eine spannende Lektüre vor allem für Leser*Innen die experimentelle Literatur schätzen.
Werbung aus Liebe zum Buch
Wertung: 🐧🐧🐧1/2🐧
Yade Yasemin Önder:
Wir wissen, wir könnten und fallen synchron
ISBN: 978-3462001563
Preis: 20,00€